Peter Handke oder Thomas Bernhard? Kein Vergleich!

Niemand muss sich zwischen den Beatles und den Rolling Stones entscheiden. Aber es macht Spaß, an kulturellen Denkmälern zu kratzen.

Was die österreichische Literatur betrifft, ist es mit Peter Handke und Thomas Bernhard wie mit den Beatles und den Stones: Man steht immer auf einer Seite.“ Das schrieb der österreichische Schriftsteller Alexander Schimmelbusch in der „Welt“. Ich muss ihm heftig widersprechen – zunächst was den zweiten Teil seines Vergleichs betrifft: Niemand muss sich zwischen den Beatles und den Stones entscheiden, so wie sich niemand zwischen Mai und Dezember entscheiden muss. Man muss sich überhaupt nicht dauernd entscheiden, das ist eine Krankheit unserer die Willensfreiheit vergötzenden Zeit, es gibt nicht nur „entweder“ und „oder“, sondern auch „sowohl als auch“. Sowohl Welle als auch Teilchen, sowohl Markt als auch Sozialstaat, sowohl hopp als auch dropp, sowohl „Let It Be“ als auch „Let It Bleed“, das ist die Wahl der Weisen.

Man muss auch nicht immer vergleichen. Es sei ein Elend und eine Sucht, schrieb Peter Handke 1968 in einem lichtvollen Essay, dass man glaube, überhaupt vergleichen zu müssen: „Und wie kommt es dazu, dass man, indem man vergleicht, zugleich auch jedesmal bewerten will? Ist es nicht so, dass man deswegen bewertet, weil man unfähig ist, den durch den Vergleich abgewerteten Gegenstand überhaupt erst wahrzunehmen?“

Muss man denn abwerten? Klar: Die Abwertung an sich hat ihren Reiz, es macht teuflischen Spaß, an Denkmälern zu kratzen, Großen und Anerkannten provokant ihren Rang abzusprechen. Ich weiß das gut, ich musste erst unlängst ein Thanksgiving-Dinner vor dem Dessert verlassen, weil ich mich über Wolfgang Amadé Mozart despektierlich geäußert hatte.

Peter Handke, den großen Abgeklärten, freilich würde ich gegen jeden Versuch der Degradierung verteidigen. Aber ist er selbst je dem Reiz erlegen, einen Großen kleiner zu machen?

Er empfinde „eine Mischung zwischen Bewunderung und Grauen“, sagte Handke, als er 2008 den Thomas-Mann-Preis entgegennahm. Bei neutralen Anlässen fasste er seine Haltung zu Thomas Mann deutlicher: „Diese Prosa ist völlig verdorben. Ein schrecklich schlechter Schriftsteller ist das“, sagte er 1989 in der „Zeit“. Und unlängst attestierte er dem deutschen Ko-Olympier ebendort „herablassende, schnöselige Prosa“.

Natürlich, hier irrt der Meister, aber man verzeiht ihm, weil man die Lust an diesem kecken Urteil spürt. Ich hoffe, man spürt auch meine Lust daran, abschließend zu bekennen: Wenn Peter Handke die Bücher Thomas Bernhards als „sträfliche Machwerke“ bezeichnet, finde ich das übertrieben, aber legitim. Auch ich halte Bernhard für schwer überschätzt. Es ist kein Zufall, dass allerorts kabarettistisch veranlagte Rechnungsprüfer und Stammtischantihelden den Stil der Tiraden seiner Personen nachahmen (und daran naturgemäß nicht scheitern). Schon Thomas Bernhards Manie, ständig das Perfekt und das Plusquamperfekt zu verwechseln, macht es mir schlechterdings unerträglich, seine Bücher zu lesen. Peter Handke mit ihm zu vergleichen, ist ein elender Unsinn.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2010)

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