Politiker, versucht es doch einmal mit paradoxer Intervention!

Wer interveniert, strapaziert seine Macht, um sich etwas zu richten. Und baut darauf, dass er nicht „ein jeder“ ist.

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Dann genügt oft schon ein Telefonat zum richtigen Ort und dort sind sofort die Akten unauffindlich. Sitzt dort ausnahmsweis' ein Falscher am Draht, der glaubt, er kann da Manderln machen, und wird rabiat – na ja, der Papa wird's schon richten...“

Diese Kabarettnummer von Gerhard Bronner aus dem Jahr 1958, kongenial interpretiert von Helmut Qualtinger, war Auslöser für den Rücktritt des Nationalratspräsidenten Felix Hurdes (VP). Sie bringt bis heute das Wesen der spezifisch österreichischen Intervention auf den Punkt: Man richtet sich (oder einem Günstling) etwas gütlich, unter der Prämisse: „Wir wer'n kein' Richter brauchen.“ Und ohne sich zu echauffieren – wie es der deutsche Bundespräsident offenbar im Telefonat mit der „Bild“-Zeitung getan hat –, sondern im Vertrauen darauf, dass auch die angewählte Stelle nicht rabiat wird, sondern Verständnis zeigt, nicht den Satz sagt, mit dem auf Wiener Ämtern routinemäßig die Gesuche abschlägig beschieden werden: „Da könnt' ein jeder kommen.“

Nein, der Intervenierer ist eben nicht „ein jeder“, er weiß, dass ihm mehr zusteht als anderen, das testet er aus, das will er bestätigt bekommen. Ob er nun seine Schuhe billiger kaufen, im Flugzeug „upgegradet“ werden oder günstige Medienberichte sehen will, er setzt auf seine Aura der Macht.

Darum ist für solche Einmischungsfälle – die ja auffallend oft Eitel- und/oder Lächerlichkeiten betreffen – das pathetische Wort „Intervention“ berechtigt, das ja bedeutet, dass sich einer dazwischenstellt, sich dem Lauf der Dinge entgegenstellt. In diesem Sinn sprechen Anhänger des freien Markts so gern tadelnd von Staatsinterventionen: Sie sehen das Wirtschaftstreiben als „natürlichen“ Lauf der Dinge, den Eingriffe der Politik nur stören können. Auch die Theologie verwendet das Wort: In theistischen Religionen – im Gegensatz zu deistischen – gehört es zum Wesen Gottes, dass er interveniert, seiner Schöpfung nicht freien Lauf lässt.

Die Psychotherapie kennt eine spezielle Form: die paradoxe Intervention. Der Patient soll sich genau das herbeiwünschen, wovor er Angst hat. Das soll à la longue seine Angst bekämpfen. Eine paradoxe Intervention des Bundeskanzlers (eines Ministers, eines Landeshauptmanns) wäre es zum Beispiel, in Redaktionen anzurufen und zu bitten, dass man ihn doch nicht zu oft vorkommen lassen soll. Dass man aber kritische Beiträge über ihn bitte nicht zensieren soll. Und ihn doch (z.B. im Schuhgeschäft oder am Flughafen) als ganz normalen Bürger behandeln soll.

Von solchen paradoxen Interventionen können wir Journalisten selten bis nie berichten. Dabei würden sie angst- und krampflösend wirken. Das ist eine Aufforderung!

thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2012)

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