Wie haltbar ist Suhrkamp? Um die Bibliothek wäre es ziemlich schade

Richtige Leser interessiert der Rechtsstreit von Verlegern nur am Rande. Wichtiger ist ihnen, ob die Bücher handlich und schön sind, oder gar, wie sie riechen.

Buchverlage sind für gewöhnliche Konsumenten sinnlich und abstrakt zugleich. Wer Bücher kauft, weiß zwar, wie sie sich anfassen, kennt vielleicht auch einige Details über den Autor, weiß aber oft wenig über die Leute, die sie produzieren. Das macht den hässlichen Streit bei Suhrkamp so interessant. Eine Firma, die man vor allem über ihre Ware wahrnimmt, erhält plötzlich Gesichter. Ulla Unseld-Berkéwicz als große Gesellschafterin sowie als firmeninterner Herausforderer der kleinere Gesellschafter Hans Barlach, die sich gegenseitig loswerden wollen, lassen uns ahnen, dass es in der Literatur nicht nur um schönes Geistiges geht, sondern auch um Macht und das Abstecken von Claims. Man könnte jetzt ganze Romane über schwarze Witwen und finstere Nachfahren wilder Expressionisten schreiben.

Für die Branche aber ist dieser Stoff schädlich. Leser wollen keine bösen Mienen zu guten Büchern, sondern höchstens in ihnen, unter Umständen noch die Porträts von jenen, die sie schreiben, auf der Innenseite des Einbands. Dann kann man Handke beim Denken oder Camus beim Rauchen zusehen. Aber Verleger beim Raufen wie im Wirtshaus? Nein! Es ist schwer genug, sich mit dem bloßen Produkt anzufreunden, mit Papier, Leim, Plastik, Leinen oder gar Leder. Nicht immer riecht das gut. Denn das ideale Buch ist selten. Ein pietistischer Kollege hasste es als junger Leser, wenn sich bei seinen Büchern von dtv die Folie vom Karton löste, der die schmale Prosa von Böll umschloss. Das hat ihm letztendlich die gesamte Lektüre des einst berühmten Nobelpreisträgers verleidet.

Mich wiederum störte es ungemein, wenn der Rücken billiger Ausgaben von Freud bei Fischer brach. Bald besaß ich nur noch eine Lose-Blatt-Sammlung der „Traumdeutung“. Die habe ich dann im Wendejahr 1989 mit diversen Abhandlungen zur Sexualtheorie entsorgt. Zerrissenheit toleriere ich nur bei Rotationsromanen von Rowohlt. Wenn das billige Papier von Hemingways Prosa brüchig wird, wertet das die Lektüre sogar noch auf. Bei „Fiesta“ ist mir nicht nur eine Generation verloren gegangen, sondern eine ganze Szene mit stierischem Treiben. Das Fragmentarische passt trotzdem zu Ernest. Dessen Bücher vertragen sogar Flecken von Margaux.

Eine subjektive Umfrage in Erdberg ergab: Die Andere Bibliothek und die der Provinz werden gerne zur Hand genommen, wie die Miniaturen von Manesse. Keiner von uns weiß, wie deren Produzenten aussehen. Eine Dame hier würde weinen, wenn die Insel-Bücherei verschwände.

Falls aber die Geschichte tatsächlich schlecht ausgeht, sich der Verlag aus Hybris auflöst – welcher Verlust wäre schmerzlicher: jener der strengen Bibliothek Suhrkamp oder jener der farbenprächtigen edition? Hoffentlich gibt es beide noch, wenn die Gesellschafter längst vergessen sind.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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