Feierliches Plädoyer für die völlig freiwillige Feuerwehrpflicht

Die Katastrophenhilfe ist in Gefahr: Befragen wir doch das Volk, ob es ihm guttäte, für sechs Monate eine Schaufel oder eine Leibschüssel in die Hand zu nehmen.

Eine brandneue Umfrage unter altgedienten Wehrmännern in der Gegengift-Kompanie, die wahrscheinlich zu spät kommt, um die Willensbildung vor der Volksbefragung am Sonntag noch wesentlich zu beeinflussen, hat überraschend ergeben: Nicht alles war schlecht, was wir als Burschen beim Bundesheer gelernt haben. Damit sind nicht nur im Donauraum und sogar in den Hochalpen weithin geschätzte Fertigkeiten wie Kampftrinken, Raufen, Ménage à trois und Viererschnapsen gemeint, sondern auch die Ausbildungen innerer Werte wie das stoische Ausharren im Büro oder das stille Ertragen von Autoritäten, die sich allein durch bunte Abzeichen legitimieren.

Es soll aber fairerweise gleich eingangs erwähnt werden, dass der Gefreite der Gegengift-Kaserne, der sich als Einziger bereit zeigte, das Positive am Barras hervorzukehren, auf dem Land aufgewachsen ist. Und dort war es Mitte der Siebzigerjahre im Dorf ein Feiertag, wenn die Stellungspflichtigen aus der Bezirksstadt mit Blumen im Haar auf den Anger zurückkamen. Im Chor jubelten sie: „Tauglich!“ Der Bürgermeister machte einen Luftsprung und lud zum Gang in die drei Wirtshäuser ein, wo auch getanzt wurde. Der Zauber der Montur begann bereits zu wirken. Ein bissl was ging damals immer.

Höher als dieses Prestige war nur das der Feuerwehr mit ihrem prinzipiellen Schutzheiligen Sankt Florian, aber dazu später. Was ist hängen geblieben von der harten Ausbildung in Raumverteidigung? Merke: Rückzug ist meist richtig. Bis auf den heutigen Tag kann ich fünfzig Jahre alte sowjetische von US-Tanks allein am Kettengeräusch unterscheiden. In beiden Fällen gilt: Liegen bleiben! Zudem hat mir später der bloße Gedanke an den Nutzen eines Panzerabwehrrohres so manche Redaktionskonferenz erträglich gemacht.

Ja, beim Bundesheer lernt man auch, mit Aggressionen umzugehen. Der Soldat übt gewissenhaft auf vielerlei Art, wie man den Feind ausschaltet. Zur Perfektion meiner Wehrlehre gehörte der Dienst am Scharfschützengewehr. Diese Spezialabteilung der Jäger pflegt eine besonders edle Art, vorzugsweise hohe Offiziere zur Hölle zu schicken, und geht dabei auch human vor. Trifft man die richtige Stelle auf der Stirn des Herrn General, bemerkt der gar nicht erst, dass er bereits tot geschossen ist.

Wer also meint, dass die allgemeine Ausbildung zum disziplinierten Töten jungen Männern und der Demokratie förderlich ist, der hat gar keine andere Wahl, als für die Wehrpflicht zu sein. Wer allerdings besorgt darüber ist, dass mit ihrem Wegfall auch die Fron der Zivildiener endet, dass nationale Notwendigkeiten wie die Katastrophenhilfe gefährdet sind, der sollte offen für den allgemeinen Arbeitsdienst mit Nachttopf und Schaufeln statt mit Gewehren und Granaten eintreten. Auf dem Zettel für diese Volksbefragung müsste nur stehen: „Bürger! Geben Sie freiwillig zu, dass Sie für Feuerwehr, Neutralität und Rettung sind? Fertig machen zum Austreten!“

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2013)

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