Allzeit bereit für Volksabstimmungen

Beim Bundesheer haben wir nur geübt. Jetzt soll endlich einmal nicht bloß befragt, sondern auch gezockt werden.

Eine Wiener Familie im Umkreis der Gegengift-Redaktion, die aus altmodischen Gründen des Datenschutzes nicht genannt werden will, hat folgende Erfolgsgeschichte zur Volksbefragung über Wehrpflicht oder Berufsheer zu bieten. Da die Eltern nicht nur für allerlei direkte Demokratie aufgeschlossen sind, sondern sogar gegenüber Unmündigen, haben sie ihre minderjährigen Söhne gefragt, wie sie denn stimmen würden. Immerhin müssten sie in nicht allzu ferner Zukunft das Ergebnis der Umfrage nicht nur respektieren, wie die verantwortlichen Politiker, sondern auch ausbaden – ob zivil oder militärisch, ist sekundär, sechs oder neun Monate sind für Buben jedenfalls futsch.

Die kleine Familienbefragung ergab Folgendes: Der jüngere Sohn war für das Berufsheer, der ältere für die Wehrpflicht, die Mutter für die Wehrpflicht, der Vater für das Berufsheer. „Toll!“, sagte Letzterer, der einst acht Monate bei den Jägern gedient hatte, und begründete seine Euphorie strategisch: „Eine Pattstellung! Da sparen wir uns den Gang zum Bezirksamt und haben nicht nur ein Ja und ein Nein zum Präsenzdienst, sondern gratis auch noch zwei Boykottstimmen dazu, die die ganze Regierung und sogar Teile der Opposition blamieren.“ So sieht ein optimales koalitionäres Szenario aus. Nichts geht mehr. Die kreative Verweigerung unter Einschluss aller Betroffenen und Nichtbetroffenen wird zum immerwährenden Prinzip.


Die nächste Volksbefragung kann also kommen – über die totale Abschaffung der ORF-Gebühr, über ein generelles Hundeverbot in Attnang oder die ersatzlose Auflösung der Landtage westlich des Leithagebirges. Wir mündigen Österreicher sind bereit, wir haben am armen Bundesheer geübt. Persönlich traue ich mir sogar eine knallharte Volksabstimmung zu. Sie muss nur so spezifisch gefasst sein, dass unsere Parlamentarier und sogar Minister von der gestellten Aufgabe überfordert wären.

Das Votum, das dem Gegengift in diesen Tagen am dringlichsten scheint: Sind Sie dafür, dass ein Finanzlandesrat unbeaufsichtigt und ohne Limit an der Wall Street zocken darf, wenn er/sie

a) eine Gesamtschule besucht hat?

b) Gendarm ist?

c) einen Bankdirektor kennt?

Oder gehören Sie, ganz direkt gefragt, zu jenen asozialen Pessimisten, die jede Initiative vermissen lassen und ständig vertreten werden wollen?

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

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