Eine künstliche britische Erregung über royale weibliche Organe

Bestsellerautorin Hilary Mantel hat sich mit Bemerkungen über eine Herzogin unbeliebt gemacht. Dabei weiß die gebildete Dame recht genau, wovon sie spricht.

Das Menschenrechtsbüro der Gegengift -Redaktion, das sich für Pressefreiheit, verfolgte Schriftsteller und das Haus Windsor einsetzt, leidet zurzeit unter einem Loyalitätskonflikt. Auslöser war ein Vortrag im British Museum: Hilary Mantel dozierte über „Royal Bodies“, mit Gedanken über das Weib und seine beschränkte Rolle in Königshäusern.

Das darf man nicht. Zumindest sollte man solche Thesen vor dem Boulevard, der Frauen selten auf den Geist reduziert, verborgen halten. Die Journaille hat nämlich inzwischen Witterung aufgenommen, nachgelesen, dass es in dem Essay auch um eine bezaubernde Königinnenenkelsgattin geht – und riecht Hochverrat. Die Herzogin von Cambridge mit ihrem Plastiklächeln sei eine Gebärmaschine, eine Schaufensterpuppe, mutmaßte Mantel. Kate sei für die Medien eigentlich nur das, was sie anziehe. Da heulte Volkes Stimme auf, sogar der Premierminister sah sich veranlasst, Frau Mantel zurechtzuweisen. Sie liege falsch, die Herzogin sei fantastisch. Unterstellt wurden niedrige Rachegefühle, zum Beweis gab es ein Foto der bürgerlichen Modellprinzessin neben der fülligen älteren Intellektuellen.

Sexualneid wegen der Windsors? Nur weil Prinz Charles größere Ohren hat als viele Hausmeister und einst interessanteren ehebrecherischen Telefonsex mit seiner jetzigen Gattin Camilla pflegte als gewöhnliche Festnetzkunden der Insel? Nein! Die Rede muss einen Nerv getroffen haben. Auch wir vom Gegengift meinen: Kate ist zu dünn und in Liebesdingen viel weniger attraktiv als ihre früh verstorbene Schwiegermutter Diana, die wahre Prinzessin der Herzen, die die Firma unter so unglücklichen Umständen verlassen hat.

Außerdem kennt sich die Autorin bei Royals wirklich gut aus, wie ihre Bücher über den Wüstling Heinrich VIII. zeigen. Bei ihm, so sagte Mantel in dem Vortrag, seien die Damen auf ihre königliche Vagina reduziert worden. Das ist keine Majestätsbeleidigung, sondern die Wahrheit. Wenn eine solche Gattin, und mochte sie aus den feinsten Häusern des Kontinents stammen, keinen männlichen Thronfolger produzierte, war sie rasch ex.

Ob man solche Thesen in der Tudor-Zeit ebenso frei hätte äußern können wie in der Barbie-Welt von heute? Mantels preisgekrönte Romane „Wölfe“ und „Falken“ lassen anderes vermuten. Es reichte manchmal, den König schief anzuschauen, um im Tower zu landen. Giftmischer wurden lebendig gekocht. Sogar der heutige postkommunistische Zarenhof ist im Vergleich dazu harmlos mit seiner russischen Neigung, freche Mädchen ins Straflager zu stecken. Bei Henry hieß es oft gleich: „Kopf ab!“

Da loben wir die lokalen Nachfolge-Monarchien. Wer im 21.Jahrhundert den Herrscher von Wien einen Zarten im Öl nennt, kriegt höchstens kein Parkpickerl. Manchmal aber wird solch ein Systemkritiker sogar mit Literaturpreisen oder einer Ehrenprofessur für Zoologie ausgezeichnet. Noch besser sind die Zustände für antiroyale Rebellen nur in Niederösterreich. Wer dort den Landesfürsten nicht nur als glatzköpfig bloßstellt, sondern ganz nackt zeichnet, bekommt mindestens ein Museum, wenn nicht sogar ein dickes Denkmal in einem Kreisverkehr.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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