Unser bunter Vogel Europa ist fast schon verschieden

Ebola-Angst, Terror-Agonie, frohlockende Populisten - und dann erreicht uns in unserem Bunker auch noch die Warnung vor der Deflation.

Immer wieder sind es besonders die Freitage, die den Apokalyptikern im tief unter Erdberg vergrabenen Bunker des "Gegengifts" besonderen Schrecken einjagen. Dieser Wochentag wird von uns mit Vorliebe schwarzgemalt. Welchen Farbton gab es also eben am ominösen 24. Oktober? Schmutziges Schwarz: Axtattentäter in Queens, Bombendrohungen in Weltstädten, Wahnsinnige, die sich freuen, wenn Menschen durch Terror sterben - vorsichtshalber habe ich wie immer in solchen Perioden des nahenden Wochenendes Pfefferspray und Verbandszeug in Griffweite. Aber leider auch seriöse Journale, die vor der Heimtücke der Deflation warnen, als ob sie das Ebola-Virus der internationalen Finanzwelt sei.

Im britischen Magazin "The Economist" zum Beispiel wird auf dem Cover die Eurozone als noch bunter, aber maroder Vogel gezeigt. Mitleidlos schaut meine deutsche Lieblingsbundeskanzlerin, Angela Merkel, auf das steife Vieh und seufzt dazu schönfärbend: "It' s only resting..." Und wenn dieser Euro-Papagei bereits tot ist?

Ich fühle mich von allerlei Ökonomen verlassen. Seit dem Niedergang der wunderbaren Kreisky-Jahre haben doch alle vernünftigen Leute behauptet, dass die Inflation die Mutter aller Übel sei. Man spart sich das bissel Geld, das man eigentlich gar nicht hat, dann verursachen mutwillige Regierungen und böse Banker massiv viel Inflation - und wusch! ist er weg, der Notgroschen. Wenn also diese wahrscheinlich vom Staat zur Schuldentilgung inszenierte Inflation so gemeingefährlich ist, dass sie von der Oma bis zum Enkel alle bestiehlt, wie kann dann ihr Gegenteil auch gefährlich sein? Was ist die Tücke der allgemein weniger bekannten Deflation?

Wie ihr Name sagt: Uns geht dabei die Luft aus. Die Nachfrage wird schwächer, weil sich niemand mehr etwas leisten kann oder will. Nicht nur die Preise sinken, sondern auch der Kaufrausch und die Lust auf Investitionen, während Insolvenzen kräftig zunehmen. Ja, auch jene Spekulanten sind betroffen, die bei der Wohnraumbeschaffung insgeheim gehofft haben, dass die Inflation fast alles zur Tilgung ihrer Schulden beitragen werde.

Irgendwie scheint dieser alte, lustig wirkende, fast verschiedene Vogel Europa in seinem Messingkäfig ein enttäuschter Häuslbauer bei drohender Deflation zu sein: Der Job ist weg, die Bank will die Kredite fällig haben, aber die so schön geplante Festung ist nicht einbruchsicher und zudem auf einem Rutschhang gebaut. Nur die Populisten plustern sich jetzt kräftig auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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