Kärnten stirbt, dann die Steiermark, aber das Burgenland lebt!

Der tiefe Süden Österreichs hat ein Problem, behaupten die Prognostiker. Er entleert sich menschlich. Darin kann man auch eine Chance sehen.

Beim Anstellen für Mehlspeisen in der multiplen Begegnungszone Mariahilf ist mir auf dem Smartphone die nüchterne Randbemerkung einer Anthropologie-Studie des Gegengiftes gar nicht aufgefallen, so groß war das Gedränge: Während es in Wien in den nächsten Jahrzehnten noch enger wird, beim Wohnen wie im Verkehrsstau, droht meiner engeren Heimat ein Horror Vacui. Der tiefe Süden Österreichs stirbt aus.

Als Erstes wird es die armen Kärntner treffen. Zur Beschönigung haben Simmeringer Statistiker nur angegeben, dass bis 2060 jeder 15. Kärntner ersatzlos verschieden sein wird. Das wäre leider nur die halbe Wahrheit. Es gilt nämlich unter seriösen Prognostikern als ausgemacht, dass am 6.Juni 2666 der letzte Kärntner sein Leben mit dem melancholischen Lied „Valosn, valosn“ aushauchen wird.

Wir stehen damit erst am Anfang von Fall und Untergang Innerösterreichs. Noch wiegen sich die Steirer in der trügerischen Sicherheit, um ein Zipfelchen fruchtbarer zu sein als ihre keuschen Nachbarn über der Pack. Aber ab 2045 zählt auch die Lebenslust im grünsten Bundesland der Welt, das bisher damit prahlt, seine Leute seien groß und stark „wie die Tannenbam, bei uns daham“, zu den Legenden. Wahrscheinlich muss man die bald entleerte Steiermark spätestens bei der nächsten großen Verwaltungsreform 2114 an das Burgenland anschließen, denn Burgenländer gibt es weit mehr, als Eisenstadt zugeben will. In Wien machen allein die Zuzügler aus Stinatz/Stinjaki die intellektuelle Mehrheit der Bundeshauptstadt aus, und von Passaic bis Chicago sind die USA ein Landstrich mit größerer Burgenländer-Dichte als im Seewinkel.

Das Burgenland, die jüngste Erfindung unserer österreichischen Nation, ist für mich auch die einzig wirkliche Hoffnung, wenn es um wild spekulative demografische Szenarien geht. Der typische Burgenländer denkt nämlich nicht: „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann“, sondern hört: „Frag im Reisebüro in Güssing, wann der nächste Flug nach New York geht, weil dein Onkel Joe dort einen Job für dich hat.“ Der Burgenländer weiß: Überall ist Burgenland, wenn man nur will. Zuwandern wie Auswandern war dort selten ein Tabu.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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