Die letzte Chance für altbewährte Glühbirnen in Meidling

Frechen Griechen gewährt die Europäische Union immer wieder Aufschub. Aber für Kritiker der Elektroindustrie gibt es kein Pardon.

In zeitgeistigen Kolumnen wird neuerdings viel zu wenig über Glühbirnen geschrieben. Das fiel der Trendabteilung des „Gegengiftes“ unlängst auf, als sie durch ihr Grätzel in Meidling flanierte: Die Inhaberin des kleinen Elektrogeschäfts am Eck ist eben in Pension gegangen. Zuverlässig hatte sie uns zuvor mit altbewährten Glühbirnen aller Fassungen und Stärken versorgt, die von Bürokraten der EU kaltherzig geächtet werden.

Mit braven Birnen geht Brüssel noch weit brutaler um als mit frechen Griechen: Kein Aufschub mehr, Neues verdrängt das gute Alte. Basta! Da aber unsere Lampenfachfrau umsichtig war, hat sie sich mit tausenden nun fast schon antiken Glühbirnen eingedeckt. Dafür war ich ihr dankbar, denn ihre Ware hat nach meinem Empfinden ein viel milderes Licht als all dieses kalte Hightechzeug, das uns neuerdings aufgezwungen wird.

Vielleicht ist auch das subjektiv: Aber die ersten dieser Superhalogen- oder LED-Leuchten tauchten doch bei teuren Limousinen auf, die bevorzugt von Mafiosi und Ministern gefahren werden, welche unbescholtene Bürger rücksichtslos von der Straße drängen. Wenn sie schon aus weiter Ferne ihre futuristischen Scheinwerfer aufblenden, wird man hilflos blind.

Und in manchen Lokalen sind die LED-Kohorten so perfid platziert, dass ich mich bei einem unbedachten Blick nach oben fühle, als würde ich auf dem Operationstisch gerade für einen graugrünen Star gelasert. Für solche Schocker müsste eigentlich ein Waffenschein vorgeschrieben sein. Aber dabei sieht die EU kaltschnäuzig weg.

Allein aus diesen Gründen ist für mich die Lampenfrage im neuen Jahrtausend ein reiner Klassenkampf. Wir werden ihn verlieren, wenn der letzte Greißler vom Eck zugesperrt haben wird. Erst dann werden wir erkennen, dass die böse Leuchtstoffindustrie reines Blendwerk ist, noch viel schlimmer als NSA, IS und CEN zusammen.

Noch aber gibt es Hoffnung am Grünen Berg. Der letzte Händler alten Schlages hat von seiner pensionierten Kollegin die Restbestände aufgekauft. Zwei, drei Jahre dürften die Vorräte reichen. Als ich ihn nach dem modischen Zeug fragte, lachte der Elektromeister höhnisch auf. Auf der ersten Lieferung von LED-Leuchten sei noch großspurig gestanden: „Zehn Jahre Garantie“. Die sieben Stück, die bereits in der ersten Woche kaputtgingen, wurden nach seiner Reklamation vom Erzeuger auch anstandslos ersetzt. Aber bereits auf der zweiten Lieferung stand nichts mehr von zehn Jahren Haltbarkeit. Das ist auch mein Eindruck. Modische Erfindungen halten selten, was sie versprechen.

Wann schicken Rat und Kommission endlich eine Troika zu jenen Lobbyisten, die Europa das Blendwerkdesaster beschert haben? Meidling drohen die soliden Glühbirnen auszugehen. Aber weit und breit gibt es keinen hellen politischen Star, der Brüssels Blackout ins rechte Licht rückt.

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2015)

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