Es ist „Zeit für einen Wechsel“: Ökonomie in leichter Form

Griechenlands Ex-Finanzminister Varoufakis war kurz weg von der Bühne – um uns nun wieder reichlich zu belehren und zu unterhalten.

Die Pause dauerte nicht lang: ein paar heiße Tage im Juli. Von Ende Jänner, als er griechischer Finanzminister wurde, bis Anfang Juli, als er dieses Amt wieder abgab, verging kein Tag, an dem die Freihandelszone des Gegengiftes nicht mit Ideen und Taten von Yanis Varoufakis konfrontiert wurde. Der zuvor nur wenigen bekannte Professor für Ökonomie und Spieltheorie war omnipräsent. Dann wurde es kurz ruhig um ihn. Jetzt ist er wieder da, mit Bekenntnissen in Interviews zur aufregenden ersten Jahreshälfte im regen Verkehr zwischen Athen und Brüssel.

Vielleicht hängt die Varoufakis-Renaissance auch damit zusammen, dass eben ein Buch von ihm erschienen ist: „Time for Change. Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläre“ (Hanser). Kurz und bündig bietet der Autor nicht nur aufgeweckten Kindern eine Chance, in sein ökonomisches Weltbild einzutauchen, sondern auch jenen verstockten Kritikern, die seine politischen Botschaften partout nicht verstehen wollen. Dieser Robin Hood sieht sich im Kampf gegen die Starken (die Banken vor allem) als einsamen Rufer, denn von den meisten lebenden Kollegen der Wirtschaftswissenschaft, vor allem von jenen, die an den Markt glauben, hält er nicht viel.

Kapitalismus amerikanischer Prägung war für ihn bereits vor Jahren in seinem Buch „Der globale Minotaurus: Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft“ (Kunstmann) ein alles verschlingendes Monster, das niemals satt wurde. Wir befänden uns in einer Zeit der „Bankrottokratie“. Schlimm für Europa: Was der US-Minotaurus mit der Welt anstelle, erfülle Deutschland im Euroraum. Varoufakis will mit ein paar Rezepten von Karl Marx, vor allem aber mit Vorschlägen von John Maynard Keynes und Spuren der Globalisierungsbewegung die Welt retten.

Während halb Europa im hitzigen Juli baden ging, war der Ex-Minister wirklich fleißig. Er hat sich freigeschrieben. Wir werden seiner ökonomischen Fürsorge weiterhin nicht entgehen. Anfang 2016 soll von ihm ein Werk über das Leid der Schwachen veröffentlicht werden, über die Eurokrise und die ökonomische Zukunft der USA. Inzwischen bereitet Varoufakis bereits das übernächste Buch vor. Darin will er Europas Weg zur Desintegration nach- und vorzeichnen.

Große Pläne für Veränderung also in Griechenland. Es wird nun aber Zeit für eine exklusive, weltweite Vortragsreise des Gelehrten. Und irgendwann sollte er vielleicht im Nervenzentrum des Minotaurus, an einer Eliteuniversität der USA, einen Lehrstuhl erhalten, um aus gesicherter Position zu verbreiten, wie böse das Imperium zu den Verfolgten dieser Erde sein kann.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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