Haben Sie heute schon einen japanischen Mönch beschimpft?

Der Wiener Wahlkampf ist in einer Ecke xenophob, von der man das nicht vermutet hätte. Aus denen da drüben werden die da oben.

Vielleicht hatte ich auch nur den falschen Fußweg durch das herrlich spätsommerliche Wien gewählt, als ich mich unlängst in die Erdberger Amtsräume des Gegengiftes aufmachte. Aber es begegneten mir andauernd entehrte japanische Mönche: „Geld für Bildung statt für Bonzen“ hieß es ultimativ auf Plakaten in weißer Schrift auf herbem Lila und lindem Grün. Das ist zwar eine Spur freundlicher als die niederösterreichische Zauberformel „Her mit dem Zaster!“, aber das Wort Bonze schreckt mich doch immer wieder neu.

Vor vielen Jahren, der Grenzzaun im Osten war eben erst weg, warb ein aufstrebender ÖVP-Politiker namens Harry im Nationalratswahlkampf mit dem kecken Spruch „Bonzen quälen, Himmer wählen“ um Vorzugsstimmen. Damals vergeblich. Was aus dem geworden ist? Die Republik hat 2004 den nicht mehr so jungen Funktionär gequält, indem sie ihm das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich aufzwang. Danach verliert sich seine Spur im Bundesrat und in anderen schwer zu durchschauenden Konstruktionen.

Was aber veranlasste die Grünen, den exotischen Bonzen mit der quälenden Bildung zu verbinden? Welche Farbe hat er denn? Gibt es Bonzen ab einer gewissen Gehaltsstufe auch in Grün oder Lila? Die Reaktion der Jungen Grünen Wien, die soeben das Sujet in ihrem Satiremagazin „Moony“ aufspießen, lässt es vermuten.

Ich bilde mir ein, in seiner blauen Periode hat der aufstrebende Populist Jörg Haider gern gegen Bonzen und Bürokraten gewettert, aber vielleicht habe ich mich auch verhört und er sprach von Schmonzes und Demokratie. Ziemlich sicher bin ich mir aber, dass zwei Generationen zuvor vielen Nazis und manchen ihrer Zeitgenossen die Wendung „jüdisch-marxistische Bonzen“ geläufig war. Solcher Sprachgebrauch kann selbst reinste Ausdrücke beflecken. Im konkreten Fall geschieht das fast schon traditionell von ganz links und rechts: Wo der Bonze gequält wird, sind meist auch bald „Kapitalisten“, „Bürgerliche“ und „das Weltjudentum“ dran.

Es mag jene, die in Wien ahnungslos Bildung gegen Bonzen ausspielen oder G'scheite gegen G'stopfte, vielleicht nicht interessieren, aber im Japanischen hat der „bōzu“ noch immer einen recht guten Ruf. Entlehnt wurde der Begriff laut Kluges Etymologischem Wörterbuch aus dem Chinesischen: „fanseng“ ist eine religiöse Person, sie kam mit dem Buddhismus vom Festland und dann weit übers Meer nach Europa. Just in der Aufklärung erfuhr der Bonze hier eine Abwertung, man verspottete ihn als einen „bigotten Pfaffen“. Im 19. Jahrhundert wurde er zum Schimpfwort für „die da oben“. Was würde wohl Siddhartha dazu meinen? Der Weise sagt: „Wir sind, was wir denken.“

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2015)

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