Lauter Männer! Wird Linz jetzt zu Tuntenhausen werden?

Für die Landesregierung von Oberösterreich gilt: Frauen müssen draußen bleiben. Wenn das nur nicht in chaotischer Wirtschaft endet.

Die künftige Landesregierung in Oberösterreich wird angeblich exklusiv aus Männern bestehen. Das hat zu hysterischen Reaktionen geführt. Tatsächlich gibt es Anlass zur Sorge: Wer kocht und serviert jetzt den Kaffee bei den anstrengenden Regierungssitzungen? Einer von der ÖVP oder einer von der FPÖ?

In der Quotenhochburg Erdberg fällt es schwer, das Phänomen Oberösterreich zu begreifen, aber mit etwas Toleranz lässt es sich im Ansatz erkennen. Zur Einstimmung sei die wertkonservative Landeshymne von Franz Stelzhamer empfohlen. Auch sein Gedicht „s'Vadernhaus“ ist aufschlussreich. Da wird ganz klar, wer für Kinder, Küche, Kirche zuständig sein muss. Vielleicht wollen die Oberösterreicher ihre Oberösterreicherinnen auch nur vor allzu großer Belastung schützen. Die Arbeit in österreichischen Landtagen ist physisch schwer zu verkraften. Kein Mann von Ehre kann sie einer Frau zumuten. Eher opferte er die eigene Gesundheit auf dem langen Marsch durch die Wirtshäuser.

Diese biologische Tatsache aber greift zu kurz, um die Lage in Linz zu erklären. Eine kulturelle Entschuldigung muss her. Ist die neue Landsmannschaft ob der Enns nur ein Aufbäumen dagegen, dass reine Männerrunden in zivilisierten Gesellschaften selten geworden sind? Eine Ostdeutsche darf Bundeskanzlerin sein, bei den Wiener Philharmonikern sind Frauen erlaubt, es könnte sogar passieren, dass eine Nichtpolitikerin (!) dem niederösterreichischen Landeshaupt im letzten Moment das verdiente Amt des Bundespräsidenten wegschnappt. Und da sollen Männer keine Wallungen bekommen? Politisch-korrekt Verfolgte, die im Kino nicht mehr rauchen und am Abort nicht mehr stehen dürfen? Männer brauchen Männerbünde, weil sie sich vor allzu starken Frauen mächtig fürchten.

Es gibt jedoch eine einfachere Antwort darauf, warum diese künftige Landesregierung zu 100 Prozent maskulin sein wird: Die Oberösterreicher wollen Oberbayern sein. Denn beim Nachbarn, dem Freistaat, ist die Mannsbildwelt noch in Ordnung, zumindest in Tuntenhausen. In dieser knapp 7000 Einwohner zählenden Gemeinde im Landkreis Rosenheim wurde von Alois Hundhammer 1945 der Katholische Männerverein Tuntenhausen gegründet. Jeder, der sich zu den hehren Zielen des KMVT bekennt und drei Euro Beitrag entrichtet, kann Mitglied werden. Er gehört dann zur patriotischen Kaderschmiede der CSU. Frauen müssen draußen bleiben.

Zweimal im Jahr trifft Mann sich zu Wallfahrtsgottesdiensten in der Basilika Unserer Lieben Frau zu Tuntenhausen, einer Kirche, die an Ruhm Altötting nicht nachsteht, und betet zur Virgo potens. Dann folgt der gesellige Teil. Frühschoppen. Weißwürste und ein paar Mass. Dazu noch der politische Auftrag. Moralische Reden.

Auch Ministerpräsident Franz Josef Strauß durfte einst auftreten – als Außenseiter. Dem KMVT war er zu liberal. Strauß bezeichnete in Folge jene Vereinsmitglieder, die Wasser predigten und Wein tranken, als „Teilzeit-Tuntenhausener“. Bei ihren Stammtischen wurde über die Jahre von honorigen Herren gegen Bikinis, Homosexuelle, Miniröcke und die Pille gewettert. Lauter Männerprobleme. Heuer ging es im Herbst um den Islam, die Zuwanderung und den Bierpreis. Fast wie bei unseren Landesvätern.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2015)

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