Janis Joplins bunter Porsche ist teurer als ein Benz

1970 hieß es noch: „Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz“. Vielleicht war das sogar Konsumkritik. Aber die Zeiten haben sich geändert.

Zu den populären Nummern der vor allem von ländlichen Oldies frequentierten Gegengift-Disco im Herzen von Erdberg gehört der oberflächlich ziemlich berechnend, ja unverschämt anmutende Gospelsong „Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz“ von Janis Joplin. Er liegt im internen Ranking knapp hinter „The End“ (The Doors) wie auch hinter „Paint it Black“ (The Rolling Stones) und sogar noch vor dem Evergreen „Yesterday“, mit dem die unsterblichen Beatles seit 50 Jahren schamlos Nostalgie betreiben.

In Joplins Lied, das vier Tage vor ihrem Tod im Oktober 1970 aufgenommen wurde, als ihr allerletzter Song, in nur einem Take, träumte die Frühvollendete vom Modellwechsel. All ihre Freunde führen Porsche, sie aber wünsche sich einen Benz. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Denn die Sängerin besaß bis zu ihrem bitteren Ende ein 356er Cabrio der deutschen Sportwagen-Firma mit dem berühmten luftgekühlten Boxermotor. Janis Joplin starb in einem Hotel in Kalifornien an zu vielen Drogen. Den gebrauchten Porsche hatte sie sich 1968, einem allseits anerkannten internationalen Jahr der Rebellion, für ein paar tausend Dollar gekauft und zum Alternativ-Fahrzeug veredelt. Die Schüssel wurde bunt bemalt und sah damals wirklich trendig-psychedelisch aus. Dieser Wagen bleibt ein Statement.

Nein, wir wollen es nicht glauben, dass sich Janis Joplin von diesem herzigen Auto trennen wollte, viel eher hat sie sich doch über den Konsumwahn lustig gemacht. Welcher ernst zu nehmende Aussteiger hätte sich denn damals von Gottvater persönlich neben einem Mercedes auch noch einen Farbfernseher und eine „night on the town“ schenken lassen wollen, wie es in den übrigen Strophen des Liedes heißt? Auch der fantastische, naturliebende Beat-Poet Michael McClure, dessen Gedicht „Come on, God, and buy me a Mercedes Benz“ sich die Sängerin mit leichter Veränderung für ihren postumen Hit ausborgte, hatte in seinem Gedicht vermutlich nicht materielles Streben im Sinn. Die Jugend in den Sechzigerjahren war nämlich, wiewohl schon recht mobil, in der Theorie ziemlich antikapitalistisch. Man lebte „on the road“ und bedauerte eindimensionale Menschen. Damit waren vor allem die Eltern gemeint. Die Kinder der Revolution wollten sich der Technokratie der Industriegesellschaft und deren Manipulationen entziehen, wollten aus diesem System aussteigen – wie aus einem Auto, das man eingeparkt hat.

Der Kaufwahn aber, der damals in traurigen Liedern gestreift und bei Demos angeprangert wurde, passt doch perfekt in unsere Zeit, in der teure Promi-Autos boomen und sich mancher Hip-Hop-Macho einen Bugatti oder Maybach um bis zu acht Millionen Dollar leistet. Solch übertriebener Materialismus hat sich eben erst wieder gezeigt, als der Hippie-Porsche von Janis Joplin bei Sotheby's in New York versteigert wurde – um unglaubliche 1,76 Millionen Dollar.

Nach diesem Exzess unter Sammlern kann man sich schon fragen, wie viel heutzutage der Porsche 550 Spyder erzielen würde, in dem die Kinolegende James Dean 1955 mit 24 Jahren verunglückte. Am Unfall traf ihn keine Schuld. Kurz zuvor hatte der lässige Filmstar einen Fernsehspot über Verkehrssicherheit aufgenommen. Zwei Wochen später war Dean tot und der brandneue Porsche Schrott. Die Wrackteile wurden einzeln verkauft. Auch eine idealistische Zeit handelte also mit Devotionalien, wenn einer ihrer Giganten starb, mögen sie auch nur aus Blech sein.

Nein, so profan möchten wir die Heldinnen und Helden unserer Jugend nicht veräußert wissen. Viel eher stellen wir uns vor, dass Janis und James irgendwo da oben an der Theke der Port Chester Bar lehnen, engelsgleich einen sanften Blues anstimmen und sich vom himmlischen Barkeeper zu einem Drink einladen lassen. Alle zusammen: „Prove that you love me and buy the next round . . .“

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2015)

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