Uhudler ist kein Softdrink – in der EU also nicht willkommen

Es wird ein Wein sein - aber nach Wunsch der EU kein Uhudler
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Sein Bukett erinnert an Beerenfrüchte oder nassen Pelz, nicht nur Südburgenländer schätzen ihren regionalen Wein. Er hat es dennoch schwer.

Viel zu selten werden an dieser Stelle die Burgenländer im tiefen Süden einst ungarischer Komitate gelobt. Sie sind gastfreundlich geblieben in kaum noch üblichem Ausmaß. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Menschen in den Bezirken Güssing und Jennersdorf bereit sind, ihr karges Brot und die letzte Flasche Hauswein mit jenen zu teilen, die zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen wurden, mögen sie nun aus Osteuropa, dem Balkan oder neuerdings aus Nahost und Afrika gekommen sein. Vielleicht liegt dieser Wille zum Helfen auch daran, dass das Südburgenland noch vor gar nicht langer Zeit sehr arm war. Viele aus der Bevölkerung mussten auswandern. Diese Erfahrung fördert offenbar Solidarität.

Das Teilen des Brotes wird hoffentlich anhalten, beim lokalen Wein könnte es allerdings bald schon Engpässe geben: Die Europäische Union hat dem Uhudler den Kampf angesagt, unsere heimische Politik setzt dem kaum etwas entgegen. Von den wenigen Dutzend Hektar an Weinbergen, die von Neuhaus am Klausenbach und Moschendorf bis Neuhaus in der Wart zur Erzeugung dieser regionalen Spezialität genutzt werden, droht ein beträchtlicher Teil wegzufallen. Für vorerst mindestens sechs Hektar Land gibt es bereits Rodungsbescheide, wie „Die Presse“berichtete. Schön langsam greift die EU-Verordnung, die Produkte mit Direktträger-Trauben verbieten will. Für diese hat es nach dem Beitritt Österreichs nur eine limitierte Ausnahme gegeben. Angeblich hat der Uhudler zu hohe Methanolwerte. Das sei eine Legende, sagen die lokalen Experten. Zudem würden diese resistenten Reben kaum Spritzmittel benötigen. Sie seien Natur pur.

Aber auch Natur kann doch giftig sein, oder? Wir Trinker im Gegengift wollen das aus Mangel an Uhudler-Erfahrung nicht bewerten, bevorzugen wir doch in Alu-Dosen abgefüllten Himbeersaft. Er besteht vor allem aus industriell gefertigter Zitronensäure mit gentechnisch veränderten Geschmacksverstärkern und wird quer über den Globus verschifft, bis wir uns an ihm laben. Unser Gewissen ist dennoch rein – das Gebräu entspricht zu 100 Prozent diversen gesetzlichen Vorgaben, so wie all die überzuckerten Soft- und Energiedrinks, die das Wohlwollen des Welthandels besitzen. Aber muss man im Gegensatz dazu rigoros gegen eine Minderheit wie die Südburgenländer vorgehen?

Denken Sie an Menschen, die sich an milden Tagen in Heiligenbrunn auf die Bänke vor bescheidenen, strohgedeckten Hütten setzen. Dort sinnieren sie bei einem Glas Wein, dessen raues Bukett an Beerenfrüchte oder nassen Pelz erinnert, über die Vorzüge des Landlebens wie auch die Bedeutung der Subsidiarität in oligarchisch organisierter Supranationalität. Südburgenländer konsumieren den Uhudler maßvoll, sie sind im Typ keineswegs mit jenen Kampftrinkern zu vergleichen, die bereits zur Mittagszeit in den Fressstraßen von Brüssel Lobbyismus und Politik betreiben. Für den Uhudler gilt das Gleiche wie für jedes alkoholische Getränk – auf die Menge kommt es an. Und für die EU gilt: Auf die Verhältnismäßigkeit kommt es an.

Ach, hätten doch Rat, Kommission oder Parlament ähnlich eifrig verfolgt, dass große Mitgliedsländer im Budget schamlos die Maastricht-Kriterien verletzen oder eine Mehrheit der Staaten nicht daran denkt, feierlich beschlossene Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu erfüllen! Stattdessen geht es gegen eine winzige Subkultur mit ein paar Joch Land. Sie ist dem Leviathan nicht mehr willkommen.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)

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