Attacke österreichischer Ökonomen: Felber muss weg!

Ein simples Lehrbuch der Geografie und Wirtschaftskunde regt auf. Wer darf als zeitgemäße Alternative zu Marx und Keynes gelten?

Vereinzelte Makroökonomen in Wien und Umgebung sind erbost über eine Grafik im weit verbreiteten Schulbuch „Geospots“,das unsere Maturanten auf ihr Leben dort draußen im Globalen vorbereiten soll. Was stört die Wissenschaftler an dem kurzen illustrierten „Überblick: Verschiedene Wirtschaftstheorien“, der fünf ziemlich verschiedene Herren im Halbkreis zeigt? Dass Milton Friedman falsch geschrieben wurde? Dass die Auswahl für Genderbewusste nicht korrekt ist? Dass der deutsche Postidealist Karl Marx den prominentesten Platz ganz oben in dem Halbrund einnimmt, während John Maynard Keynes und Friedrich August von Hayek links und rechts die Flügel abdecken? Nein, es geht um einen soziologisch-politisch geschulten Romanisten, der just zwischen Keynesianismus und Marxismus platziert wurde.

Der freundliche junge Mann soll aus dem Buch für Geografie und Wirtschaftskunde getilgt werden. Mehr als hundert Ökonomen fordern in einem offenen Brief an die zuständige Bundesministerin, dass „dieses Lehrbuch in seiner derzeitigen Form nicht weiter für den Einsatz an österreichischen Schulen“ zugelassen werde. Es sei ein „Affront für alle österreichischen Wirtschaftsforscher“. So viel Einigkeit ist in dieser umkämpften Branche fast ein Wunder. Die forschen Forscher meinen: Ein gewisser Felber muss weg!

Was liegt gegen ihn vor? Die Leser erfahren in „Geospots“, dass Christian Felber (*1972) offenbar der prominenteste Vertreter für „alternative Theorien/Gemeinwohl“ im noch jungen 21. Jahrhundert sei. Die Linie, die von seinem Porträt zu den Wirtschaftstheorien in einem kleineren Halbkreis der Grafik führt, endet zwischen Angebot und Nachfrage, die von Marx deutet auf Kapital, während Keynes auf Inflation, Friedman auf Privatisierung und Hayek auf Commons abzielen. Das hat doch Charme!

Liebe Maturanten und Ministerinnen: Ökonomie funktioniert ganz einfach. Man kann sie theoretisch praktisch auf Inflationsnachfrage, Kapitalangebot und Allgemeinprivatisierung reduzieren. Oder auch umgekehrt. Hauptsache, der Markt wird vergesellschaftet oder die Gesellschaft vermarktet. Bei diesen fünf Schulbuchwirtschaftsweisen ist jede Art von Rat erlaubt und billig. Seien wir doch ehrlich, im Grunde hat immer der große Cole Porter recht: „Anything goes.“

Warum also die Aufregung? Wir neoliberalen Lyriker im „Gegengift“ freuen uns darüber, dass drei der fünf bedeutendsten Ökodenker der vergangenen 200 Jahre aus unserer Heimat stammen: neben Felber und Hayek auch Friedman. Er wurde zwar in den USA geboren, aber als Sohn ungarischer Emigranten aus der Habsburgermonarchie kann er in klassisch liberaler Auslegung als Österreicher bezeichnet werden. Selbst Marx ist ein Hiesiger. Er schrieb einst für „Die Presse“.

Und Keynes? Der sollte nicht mit Felber verglichen werden. Für heutige Verhältnisse wäre er viel zu restriktiv in der Geldpolitik. Ihn könnte man ohne Verlust gegen größere Commons-Theoretiker tauschen. Wie wäre es mit dem nationalen Gemeinsozialisten Jörg Haider? Ein Lehrbuchvisionär in Mikro- wie in Makro-Alternativen, die Schule machten. Alle Welt weiß längst: „Kärnten ist reich.“

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2016)

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