Kein Sex, bitte, sondern lieber eine Touch Bar

Mein Mobiltelefon will gestreichelt werden, auch mein Tablet. Und jetzt werden die Notebooks frech.

Ich muss es leider zugeben: Für elegantes technisches Zeug, besonders wenn es aus Kalifornien stammt, habe ich ein Faible, wenn nicht gar eine übertriebene Leidenschaft. Deshalb sieht es in manchen Nischen der Werkshallen des Gegengifts beinahe so aus wie im Keller von Q, dem Bastler im Geheimdienst seiner Majestät, oder in der Asservatenkammer des LAPD. Und für Personalcomputer habe ich mich schon interessiert, als es sie noch gar nicht gegeben hat, in den Schwindel erregenden Siebzigerjahren.

Deshalb war dieser Donnerstag eine besondere Herausforderung für mich. Am Rande des Pazifik wurde ein Notebook vorgestellt, das noch schneller, stärker, dünner und leichter sein soll als sein Vorgängermodell, mit dem hellsten Display aller Zeiten, praktisch sonnengleich, mit Trilliarden Farben. Wahrscheinlich gibt es sogar wieder fragile neue Stecker, der sollbrüchige alte ist ohnehin längst defekt. In meinem Inneren (ist die Milz für Technologie verantwortlich?) begann sich ein perverser Haben-Rausch aufzubauen.

Doch dann verriet der smarte Verkäufer im global gestreamten Marktgeschrei noch ein tolles Detail, das meine Gefühlswelt durcheinander brachte. Die brandneue Wundermaschine kommt mit der allersteilsten Erfindung der kalifornischen Dealer. Mit einer Touch Bar. „Hurra“, wollte ich jubeln, „mein nächster Computer ist trinkfest!“

Sogleich folgte die Ernüchterung. Es ist nur eine multifunktionelle Berührungsleiste aus Glas. „Sie ist in die Tastatur integriert und gibt dir direkten Zugriff auf deine Tools, genau wenn du sie brauchst“, lockt die Homepage, auf der das Ding verklärt wird. Mit Verlaub, das will ich nicht. Wen oder was muss ich jetzt noch alles sanft berühren? Mein Mobiltelefon ist auf Streicheleinheiten angewiesen, die beinahe schon im Minutentakt erfolgen. Auch mein Tablet will ständig befummelt werden, es fordert wie sein kleiner Kompagnon immer dringender, manchmal mit Klingelton, dass ich mit ihm spreche. Bei einem Telefon wäre das irgendwie noch logisch, aber warum soll ich mit einem Arbeitsgerät flirten, in dessen Tastatur ich Texte dresche?

Mir kommt ein furchtbarer Verdacht. So wie Zigaretten als Ersatzhandlung fürs Nuckeln dienen, das Stillreflexe auslöst, so macht auch das Glasplattenstreicheln süchtig. Beobachten Sie doch die Info-Freaks in den Öffis. Lauter News-Junkies! Und die Touch Bar ist noch perfider. Sie merkt sich, was User gern drücken und reagiert auf ihre Befehle mit dem Aufleuchten diverser Tasten. Es fragt sich, ob ich die will – oder ein anderer Maschinist. Am Ende leuchtet dort wohl flächendeckend auf: „Kaufen! Kaufen! Kaufen!“

E-Mails an:norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2016)

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