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"Newsweek" covert "Wunderkind" Sebastian Kurz

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Das US-Magazin widmet dem österreichischen Regierungschef, seiner konservativ-liberal-rechten Koalition und auch dem Rest des Landes eine lange Reportage.

Für Österreicher ist es nicht leicht, auf das Cover von einst großen US-Magazinen wie "Time" oder "Newsweek" zu kommen. Adolf Hitler, Kurt Waldheim und Jörg Haider haben das geschafft, und in diesen heiklen Fällen galt wohl für die amerikanischen Journalisten: "Only bad news is good news". Wäre der "Mediator", sagen wir, ein rasender Reporter für den Kansas City Milkman, würde er jetzt schreiben: Das absolut Böse, ein freiheitlicher Autoraser und ein Wehrmachtsoffizier, der nur mitgeritten ist, erregten einst Leser diesseits und jenseits des Atlantik.

Deshalb verwundert es ein wenig, dass die internationale Ausgabe von "Newsweek" im aktuellen Heft mit dem braven Reformpolitiker Sebastian Kurz aus Meidling wirbt. (In der US-Ausgabe muss parallel dazu der sinistre russische Staatspräsident als Zugnummer herhalten: "Putin Wants Your Vote", droht das Blatt und fügt Vermutungen hinzu, dass Moskau die Zwischenwahlen in den USA bereits infiltriert haben könnte.)

Für die internationalen Leser aber gibt es als Ersatz den beinahe noch unverbrauchten österreichischen Bundeskanzler. Ausgiebig behandelt das Magazin auf einer acht Seiten langen Strecke Österreich und seinen jugendlichen Regierungschef. Der 32-jährige ÖVP-Politiker blickt auf der Titelseite heldenhaft nach rechts in die Ferne: „Austria Rising“ steht groß in Blockbuchstaben über seinem rechten Ohr. Und unten rechts in kleinerer Schrift heißt es: "Chancellor Sebastian Kurz is remaking Europe's future from its darkest past."

"Die Zukunft gehört mir"

Ein Wort wie Aufstieg kann in diesem Kontext auch dunkle Assoziationen wecken. Die Story über Kurz, seine konservativ-liberal-rechte Bundesregierung und das ganze Alpenland wirkt auch im Inneren so, als ob junge amerikanische Journalisten alte Klischees über Europas Erdteilmitte reproduziert hätten, die dann von smarten Semantik-Experten am Ballhausplatz in Wien derart zurechtgebürstet wurden, dass sie am Ende so glatt wirken wie das sturmfest zurückgekämmte Haar des konservativen Kanzlers der kleinen Wende von 2017.   

Der Aufmacher sei wochenlang recherchiert worden, konnten wir in Wien und anderswo erfahren. Wie also gestaltet Kurz "Europas Zukunft aus seiner dunkelsten Vergangenheit"? Machtbewusst. "Tomorrow Belongs To Me" heißt der über zwei Seiten sich erstreckende Titel im Blattinneren. Darüber sieht man auf der Doppelseite das Foto des von Mikrofonen und Kameras umzingelten Bundeskanzlers. Kurz wird als konservativer Populist voller Ehrgeiz charakterisiert. Junge Österreicher identifizierten sich mit ihm. Indem sie ihn favorisierten, würden sie auch mit der gefährlichen Vergangenheit des Landes flirten.

(c) imago/Xinhua (imago stock&people)

Erstmals seit Ende der Habsburger-Monarchie vor hundert Jahren, „als Österreich einen Großteil Europas an die 500 Jahre regierte", finde sich das Land in einer Machtposition wieder, meint das Magazin. Nun, in Paris, London, Madrid, Moskau oder Istanbul wird wohl etwas anders und vielleicht differenzierter gesehen werden als in den USA, wer in den vergangenen Jahrhunderten Europa tatsächlich dominierte. Richtig ist jedoch die Beobachtung, dass hierzulande derzeit die Wirtschaft wachse, die Arbeitslosigkeit niedrig sei.

Als Zeuge für den Aufstieg Österreichs unter Kurz ("a right-wing populist") wird "Die Presse" zitiert. Dass sein jüngster Auftritt unlängst vor der UNO in New York ein Zeichen der Stärke „der neuen kleinen Supermacht“ gewesen sei, haben wir tatsächlich geschrieben. Dass letztere Bemerkung allerdings ein Scherz von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vor österreichischen Journalisten während seines Aufenthalts bei der UNO-Generalversammlung gewesen war, der dann auch von der "Presse" zitiert wurde, schreibt "Newsweek" leider nicht.

Laut US-Botschafter Grenell ist Kurz ein Rockstar

Was also treiben die Super-Ösis denn heute politisch so? Sie sind Hardliner in Fragen der Immigration. Kurz werde in seinem Wunsch nach Schutz von seinem xenophoben Koalitionspartner FPÖ ("founded by neo-Nazis after World War II") unterstützt sowie von weit rechts stehenden Führern wie Orbán und Salvini. Armer H.C. Strache - der FPÖ-Chef ist den Amis nur ein kleines Foto vor österrechischer Fahne wert, eingeklemmt zwischen einem Bild mit halbvollem Aschenbecher und fast leeren Kaffeschalen sowie einem Schwarzweißfoto mit einem Naziaufmarsch. Der blaue Spitzenreiter mit seinen Krankenkassenbrillen sieht auf dem Foto tatsächlich alt aus. Seine Partei ist dem Magazin nur pointierte Passagen über Antiislamismus, Antisemitismus und wiederholte Verharmlosung des Holocaust wert. Fast übergangslos geht es dann zu Identitären, Neonazis und CSU-Chef Horst Seehofer. Kurz werden auch Matthias Strolz und Christian Kern gestreift, die Ex-Chefs von Neos und SPÖ. Und Waldheim, der Bundespräsident, der 1987 auf die Watchlist der USA kam, darf natürlich nicht fehlen.

Alle aber werden von Kurz überstrahlt. Am "Wunderkind" aus Meidling, das Populisten neutralisiere, indem es mit ihnen kooperiere, lobt "Newsweek", dass es meisterhaft vermarktet werde, als simpler Sebastian, via Parties und Selfie-Postings. Besser als die meisten EU-Spitzen verstehe es der "baby-faced leader", persönlichkeitsgetriebene Politik zu machen. Richard Grenell, US-Botschafter in Berlin, wird aus einem Interview mit "Breitbart News" zitiert: Kurz sei "ein Rockstar". Ein zentraler Aspekt wurde von "Newsweek" jedoch glatt übersehen. Wenn die Republikaner durch diese Coverstory auch noch erfahren hätten, wie elegant der Basti einst als JVP-Chef mit dem Geilomobil durch Bobo-Land fuhr - wer weiß, ob ihn US-Präsident Donald Trump nicht spontan zu einer Party in Moskau eingeladen hätte.

--> zur "Newsweek"-Coverstory

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