Schwarz-weiß schaut eben doch alles viel besser aus

Kodak, ein Pionier des Fotokultes, ist insolvent. Bedeutet das den Sieg der rasanten Physik über die heimelige Chemie?

Der Niedergang erfolgte langsam, wie beim Rosten, das oft erst auffällt, wenn es zu spät ist. Erst ging der Farbfilm aus – die Produktion von Kodachrome wurde 2009 eingestellt. 2010 war Schluss mit dessen Entwicklung – Dwayne's Photo in Kansas nahm die letzten der tiefgelben 35-Millimeter-Rollen in Auftrag. Jetzt hat es schließlich auch die Mutter aller Fotofirmen erwischt – die Eastman Kodak Company ist insolvent.

Einer ihrer Gründer, George Eastman, hat den Namen Kodak erfunden. 130 Jahre stand er für Qualität. Das Kunstwort sollte in keiner Sprache eine negative Bedeutung haben. Kein Familienfest, kein Weihnachten, kein Urlaub ohne Kodak, in der Blütezeit des Unternehmens Arbeit für 60.000 Mitarbeiter allein in Rochester, New York. Jetzt steht Kodak auch für Pleite.

Ich blättere in alten Alben – und entdecke noch einen Niedergang. Anscheinend wurden meine Fotos falsch gelagert. Wo sind die netten, hellen Farben, von denen Paul Simon einst in seinem Liedlein „Kodachrome“ sang? There Goes Rhymin' Simon: Nur schemenhaft sind Jugendlieben aus den Siebzigerjahren zu erkennen, die Insel Rhodos, blühendes Ziel unserer Maturareise, hat einen Stich ins Rotbraune. Und ich habe fast vergessen, was wir damals gesungen haben am Strand.

Brechts Gedicht für Marie A. fällt mir ein, in dem die weiße Wolke die dauerhafteste Erinnerung ist. Muss Kodak untergehen? Hat die Chemie den Kampf gegen die Physik verloren, weil die heimelige analoge Fotografie chancenlos gegen die schnelle Business-Welt des Digitalen ist? Ich klappe das Griechenland-Album zu und erinnere mich. Erst gab es eine Box für die gelben Rollen, dann kam – Kunst! – Schwarz-Weiß, sechs mal sechs. Aus dieser Phase stammen die haltbaren Aufnahmen. „Everything looks worse in black and white“, sang Paul Simon 1973, später korrigierte er das in Konzerten auf: „Everything looks better in black and white.“ Zurecht. In den schäbigen Achtzigern dann die Rückkehr zu Kodak: Einwegkameras. Man brauchte nur zu knipsen. Meist habe ich mir die Entwicklung erspart und das ganze Zeug sofort weggeworfen.

Dieses Schicksal werden auch digitale Fotos erleiden. Von 35 Jahren Aufbewahrung ist keine Rede. Ich nehme viel auf, mehr als früher, aber die Tücke liegt wieder bei der Lagerung. Statt der Alben habe ich Festplatten und USB-Sticks, von denen ich nach zehn Jahren nicht mehr weiß, auf welchem längst entsorgten Computer und mit welchem Programm ich die Daten abgespeichert habe. Da bleibt nicht einmal mehr eine weiße Wolke ungeheuer oben. Vielleicht heißt es in ferner Zukunft: Im 20. Jahrhundert wurden massenweise bräunliche Bilder produziert – ein dekadenter Ritus in der Spätphase eines Kults, den man Malerei nannte. Sie endete, als nach den großen Software-Schauprozessen das Bilderverbot erlassen wurde.

E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2012)

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