Boykott, ersonnen gegen Menschenschinder

Bismarck schätzte das Wort als diplomatische Waffe. Und auch Österreichs Regierung straft durch Verzicht.

Als die Welt noch sauber in Nord und Süd, Ost und West geteilt war, fielen Boykotts leicht. Es schmerzte zwar, auf Chardonnay aus Südafrika zu verzichten, aber zur Bekämpfung der Apartheid waren aufgeklärten Europäern sogar solche Extreme der Verweigerung recht. Zigarren konnte man früher aus Fürstenfeld beziehen statt aus Kuba, exotische Früchte aus Rhodesien statt vom Kap. Aber gibt es heute noch Aktivisten, die Erbsen aus Zimbabwe oder Sprengstoff aus Nordkorea meiden, nur weil sie deren Diktatoren nicht mögen?

Derzeit kann man nicht einmal mehr verhindern, dass die Formel 1 in Ländern im Kreis fährt, die von bösen Scheichs beherrscht werden. So ist es verwunderlich, dass Deutschland erwägt, die Fußball-Europameisterschaft zu boykottieren, weil die Machthaber der Ukraine die Menschenrechte mit Füßen treten. Die BRD, die sich über Fußball ebenso sehr definiert wie über das Grundgesetz, will auf einen weiteren Titel, der ihr schon sicher scheint, verzichten! Grund genug, sich mit der Herkunft des Wortes Boykott zu beschäftigen.

Kluges „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache" weiß, woher der Begriff stammt: Über Hauptmann Charles Boycott, Gutsverwalter zu Lough-Mask in der irischen Grafschaft Mayo, sprach die irische Landliga 1880 ihren Bann aus, sodass niemand für ihn arbeitete oder mit ihm verkehrte und B. das erste Opfer des nach ihm benannten Verfahrens wurde. Bismarck, dem Eisernen, gefiel der Ausdruck so gut, dass er ihn selbst statt des alten Begriffs Verruf anwandte. Bald gebrauchten Leute ihn auch als Verb. Wer kein argentinisches Diktatoren-Steak, keine Diamanten aus Zaire oder Öl aus dem Iran mochte, konnte es nunmehr auch boykottieren.

Wir wissen nicht, wie weit die Deutschen im Juni gehen werden, ob die Strafaktion bloß darin bestehen wird, dass Außenminister Guido Westerwelle die Spiele nicht besucht - so wie sich das auch die österreichische Regierung vorgenommen hat. Aber dass der erste Boykott der Geschichte erfolgreich war, ist bewiesen. Die „Irish Land League", die sich in ihrem Kampf gegen englische Großgrundbesitzer für die bitterarmen Kleinkeuschler und Knechte in ihrem Land einsetzte, schaffte es im harten Arbeitskampf, den Menschenschinder Charles C. Boycott zum Auswandern zu bringen.

Sein Dienstherr, der 3. Earl of Erne, hielt sich jedoch. Dessen Sohn John Henry Crichton, 4th Earl of Erne, war sogar Lord of the Treasury unter Benjamin Disraeli. Beide Grafen wurden Knights of the Order of St. Patrick. Das aber ist für Iren kein ausreichender Grund, um am 17. März das Trinken von grünem Bier zu boykottieren.

Mails: norbert.mayer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2012)

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