Der Himmel hängt voller guter Bücher

Sogar Junge wünschen sich Buchhandlungen als Wohlfühlorte. Sie sind nur viel anspruchsvoller geworden.

Adventnachmittag in einer großen Buchhandlung in der Wiener Wollzeile: Ein paar Meter von mir entfernt erzählt ein junger Verkäufer einer Kundin, worum es in dem Jugendbuch geht, und in dem und in dem . . . Jedes Buch im Regal scheint er zu kennen. Wie er so mitreißend aus dem Vollen schöpft, bekomme ich das Gefühl, vor lauter Wundertüten zu stehen, und werde fast traurig, weil ich nie all diese Bücher lesen werde. Plötzlich würde ich gern sehr lang in den wie schallgedämpften Räumen mit ihren bequemen Sesseln und freundlichen Verkäufern bleiben. Gäbe es solche Buchgeschäfte gar nicht mehr, denke ich mir, würden vermutlich viele Leute trauern – auch solche, die fast aufgehört haben, sie zu besuchen, weil ein paar Klicks auf Amazon schneller sind; Leute wie ich zum Beispiel.

Nun hat nach 85 Jahren die Buchhandlung Frick in der Kärntner Straße zugesperrt, und ihr Eigentümer meint, „in zehn Jahren wird es in den Toplagen der Innenstädte keine Buchhandlungen mehr geben“. Wirklich? Eher müsste es wohl heißen: keine alten Stils, die einfach Bücher verkaufen. Wenn es keine Nachfrage nach Buchhandlungen mehr gäbe, warum sagten dann in einer Umfrage in Deutschland 2015 fast 75 Prozent, dass für sie Buchhandlungen von allen Geschäften die schönste Atmosphäre haben? Fast noch erstaunlicher: Bei den 14- bis 19-Jährigen waren es immer noch über 64 Prozent. Die Nachfrage ist wohl da, nach Wohlfühloasen, in denen man vor allem zweierlei tun kann: erstens sitzen, Kaffee trinken und schmökern – in gedruckten wie in elektronischen Büchern! Zweitens und genauso wichtig: sich inmitten eines vielfältigen Sortiments beraten lassen von Buchliebhabern und -kennern. Mindestens eines dieser zwei Elemente fehlt in fast allen Buchhandlungen.

Wie herrlich man sie gestalten kann, dafür gibt es viele Beispiele: die Popular Kid's Republic in Peking mit ihrer abenteuerlichen Lesenischen-Architektur; die begrünte Cafebrería El Péndulo in Mexico City; die Buchhandlung Selexyz in einer gotischen Maastrichter Kirche; der Plural Bookshop in Bratislava mit seiner Sitztreppen-Konstruktion; oder der prächtige Last Bookstore in Los Angeles mit seinem ironischen Slogan: „Worauf warten Sie? Wir werden nicht immer hier sein.“

Die besten werden ja doch bestehen bleiben; darunter ganz wenige unabhängige – die es nur gibt, weil alle Begeisterung, Ideenlust und Energie hineinfließt. Aber natürlich auch, weil jene, die dies wertschätzen, ab und zu auf die einfachen Klicks im Internet verzichten.

anne-catherine.simon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.12.2016)

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