Musikant und Sammler, Begeisterter und Begeisterer

René Clemencic feiert am 27.Februar seinen 85.Geburtstag. Mit seinem „Consort“ fährt er seit fast 60 Jahren durch die Musikgeschichte.

Originalklang? Den hat René Clemencic schon propagiert, als das noch ein Exotikum war. Dass der Umgang mit „alter Musik“, mit „alten Instrumenten“ in unserem Zeitalter zur Selbstverständlichkeit geworden ist, das verdanken wir nicht zuletzt der Pionierarbeit von aufgeschlossenen, neugierigen Musikanten, wie er einer ist.

Wobei das Wort Musikant natürlich als Ehrentitel zu verstehen ist; und im Übrigen zu tief greift. Natürlich ist René Clemencic ein Musikant. Einer, der verschiedene Instrumente beherrscht und auch vom Gesang etwas versteht – vom mittelalterlichen und vom barocken, vom geistlichen und vom sehr, sehr weltlichen.

Die hehrsten Klänge zur Anbetung der Madonna – und die schlüpfrigsten Verse der Vagantenpoesie hat Clemencic zu neuem Leben erweckt. Seit vielen Jahrzehnten betreut er mit seinen Mitstreitern einen im wahrsten Sinne abenteuerlichen Konzertzyklus im Wiener Musikverein. Wer Lust hat, auf große historische Fahrt zu gehen, der muss sich ein Abonnement des Clemencic Consorts zulegen. Unglaublich, in welche Bereiche er da hörend vordringen kann. Die Programme, die der Meister zusammengestellt hat, füllen mittlerweile einen dicken Band, der nicht nur eine Bestandsaufnahme jahrzehntelanger künstlerischer Arbeit darstellt, sondern auch als Kompendium der Musikgeschichte gelesen werden kann.

Clemencic hat sie aufgearbeitet – und in ihren völlig unbekannten Winkeln ausgeleuchtet. Von einer Idee ist er nämlich durchdrungen: Es ist nicht alles im kollektiven Gedächtnis gespeichert geblieben, was das abendländische Klangkontinuum an wirklich Bemerkenswertem hervorgebracht hat. Wie er als Sammler bildender Kunst, vor allem von Skulpturen, immer auf der Jagd nach unerkannten Talenten aller Epochen ist, hat Clemencic sein Lebtag Notendrucke und Handschriften studiert, auch in Zeiten, in denen es mangels Verbreitungsmöglichkeiten noch schwierig war, an Unpubliziertes zu gelangen. Wie im Fall der Instrumentenkopien ist es im beginnenden 21.Jahrhundert viel leichter geworden, Material zu finden.

Doch wird Clemencic auch dort fündig, wo die Musikgeschichte mit großen Namen prunkt, aber kaum ein Musikologe je die tönende Realität dieser Musik kennenlernen konnte. Demnächst, am 5.April, gibt es wieder einen Clemencic-Abend im Brahmssaal: Musik von Domenico Mazzocchi steht auf dem Programm. Den Namen müssen zumindest Musikstudenten auswendig lernen. Aber die Musik? „Hat man hierzulande kaum je gespielt“, sagt Clemencic und die Augen leuchten: „Prachtvolles, leidenschaftliches römisches Barock!“ Seine Begeisterungsfähigkeit hat kein bisschen gelitten in all den Arbeitsjahren – und sie wird auch nach seinem 85.Geburtstag höchst ansteckend wirken.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2013)

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