Puszta-Melodien und ein Hymnus zum Marienfeiertag

Wer nach Bad Ischl fährt, kann kurz vor den Zeremonien zu „Kaisers Geburtstag“ nicht nur Unbekanntes von Meister Lehár entdecken.

Lehár-Festival heißen die Operettenfestspiele in Bad Ischl seit einiger Zeit. Der Genius Loci will gewürdigt sein – und dennoch pflegt der Intendant des Festivals ein breites Repertoirespektrum, das sich nicht im silbernen Operettenzauber erschöpft, sondern, wie sich zeigt, hie und da auch in Bereichen auskragt, an die niemand im Zusammenhang mit dem Wort Operette denken würde.

Lehár – gewiss, wenn es um den Ischler Meister geht, ist man hier an der ersten Adresse. Ganz in der Nähe der Villa des Komponisten spielt man heuer aber gar keine Lehár-Operette szenisch. Die Neuinszenierungen galten dem Musical „Hallo, Dolly!“ und einem Meisterstück der goldenen Ära, Millöckers „Gasparone“.

Dafür kommt es aber dieser Tage zu einer „halb szenischen“ Wiederbelebung eines Werkes, an das eingefleischte Lehárianer ganz fest glauben, dem die Bühnenwirklichkeit aber keine Chance gegeben hat. Wer recht hat, kann man am 15.August abends und tags darauf am Nachmittag nachprüfen: „Wo die Lerche singt“ steht auf dem Festspielprogramm.

Das Werk erzählt bittersüß, wie bei Lehár nicht anders zu erwarten, von der Liebe eines Mädels mit langen blonden Zöpfen, das von einem Maler in der ungarischen Puszta entdeckt und in die urbane Großstadtwelt verführt wird. Am Ende kehrt die schöne Margitka zu ihrem Bauernburschen, mit dem sie verlobt war, zurück – der Künstler bleibt bei seiner Operndiva.

Dazwischen ist die Welt erfüllt von weit über einem immer gleichbleibenden Grundton schwingenden Melodien, wie nur Lehár sie erfinden konnte. Das wird eine lohnende musikalische Entdeckungsreise – wie weit sich das Stück für weitere, wirklich inszenierte Versuche empfiehlt, darf man bei dieser Gelegenheit taxieren.

Ein wirkliches Meisterwerk, mit dem wohl niemand in diesem Ambiente gerechnet hätte, holt Intendant Michael Lakner, seines Zeichens auch Pianist, schon zum zweiten Mal ins Rampenlicht. In der Stadtpfarrkirche St.Nikolaus erklingt am Feiertag um 13 Uhr Paul Hindemiths „Marienleben“, jene Vertonung von Rainer Maria Rilkes Gedichtreihe, von der Pianist Glenn Gould einmal gemeint hat, er sei der bedeutendste Liederzyklus des 20. Jahrhunderts!

Der Komponist hat ihn in zwei Versionen vorgelegt: in einer wilden, ungezügelten aus seiner Bürgerschreckphase (der Gould seinerzeit den Vorzug gab) und in einer geklärten, sehr sangbaren Version, die Lakner mit der Sopranistin Maja Boog vorstellt.

Das ist jene Version, die vor Jahren Gundula Janowitz bei den Salzburger Festspielen gesungen hat – zweimal sogar und jedesmal zum Erstaunen des Publikums, das nicht wusste, was es erwartete und ein Meisterwerk für sich entdeckte.

Das kann am 15. August Musikfreunden auch in Bad Ischl passieren...

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2013)

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