Wiens Konzerthaus im Dilemma – ah ja?

Der neue Chef des Traditionshauses am Heumarkt übernimmt ein Problemkind. Er ist nicht der Erste, der das bemerkt.

Das Konzerthaus ist bankrott. Einen solchen Satz spricht man nicht gelassen aus. Schon gar nicht, wenn man derjenige ist, der ab sofort die Geschicke dieses Instituts zu lenken hat. Matthias Naske hat vor Amtsantritt einen Kassasturz gemacht – und geht nun mit der Erkenntnis, sein Haus sei bankrott, an die Öffentlichkeit.

Wer Naskes Karriere verfolgt hat – er kommt als erfolgreicher Manager des Luxemburger Musiklebens quasi heim: In Wien war er ein ebenso stiller wie effektiver Generalsekretär der Musikalischen Jugend –, der weiß, dass eine solche Aussage aus seinem Mund Gewicht hat. Das Konzerthaus ist neben dem Musikverein die bedeutendste Aufführungsstätte klassischer Musik in der Musikstadt. Und die Musikstadt kümmert sich in Wahrheit keinen Deut darum, dass die finanzielle Situation des Hauses desaströs ist. Und das, obwohl der miserable Befund nicht einmal für Matthias Naske wirklich neu sein kann, für die Kulturverantwortlichen in Wien aber längst zu den Binsenweisheiten zählt: Das Konzerthaus ist bankrott? Ja eh, wird der gelernter Wiener Musikfreund sagen.

Dabei ist die Hauptursache für die Malaise nicht die Tatsache, dass sich in Wien kein Konzertbetrieb aufrechterhalten lässt – ganz im Gegenteil. Das Interesse ist so enorm wie nie zuvor. Tatsächlich hat man die Betreibergesellschaft im Regen stehen lassen, als man erkannt hat, dass die nach neun Jahrzehnten in Angriff genommene Renovierung des Riesengebäudes ungeahnte Summen verschlingen wird. Die Zinsenzahlung für den Schuldenberg – der mit dem künstlerischen Programm gar nichts zu tun hat – wurde garantiert. Im Übrigen hieß es: Bitte weiterwursteln.

Das Konzerthaus-Programm verstand man stets als Ergänzung zum wahrhaft klassischen Betrieb im Musikverein: mit einem für das Ansehen des Musiklandes essenziellen Beitrag zu heiklen Repertoire-Bestandteilen vom Streichquartett bis zur Neuen Musik. Zu tun, als erledige sich dergleichen von selbst, hat hierzulande zwar Tradition. Irgendwann aber täte es gut, die Augen zu öffnen.

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2013)

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