Die Festwochen okkupieren heuer "Inseln" im Konzerthaus

Dass die Stadt Wien nicht weiß, was sie der sogenannten Hochkultur schuldet, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch Galionsfiguren wanken.

Anhand des Musikprogramms der Wiener Festwochen 2014 lässt sich der Sparwille der Stadt Wien in Sachen Pflege anspruchsvoller Musiktradition bestens nachvollziehen. Man zögert im Rathaus nicht, Millionenbeträge in die Vereinigten Bühnen zu pumpen, um dort das für das internationale Renommee der Musikstadt völlig nutzlose, ja, in Wahrheit kontraproduktive – überall anders selbst finanzierte – Kommerzmusicals weiter künstlich zu beatmen; und wohl auch, um einige wohldotierte Management-Pfründnerposten „abzusichern“.

Das Geld fehlt nun freilich an allen Ecken und Enden für weitaus interessantere kleinere und kleinste Projekte. Und auch die Zuwendungen für das seit Jahren veranstaltete „Frühlingsfestival“, das alternierend von Konzerthaus und Musikverein veranstaltet wurde, sind gestrichen worden.

Für das ernsthafte Konzertleben der Stadt bedeutet das den Verzicht auf spannende Spezialprojekte, deren Finanzierungsbedarf über das (die öffentliche Hand ohnehin vergleichsweise geringfügig belastende) Normalmaß hinausgeht. Ein paar interessant beziehungsweise aufwendig programmierte Konzerte weniger halt, könnte der Zyniker achselzuckend sagen.

Bei der Präsentation der Festwochen-Konzerte stellte Musikvereins-Intendant Thomas Angyan nur eine vergleichsweise schmale Broschüre anstelle des gewohnten üppigen Programmhefts vor: 22 Konzerte haben die „Gesichtskontrolle“ geschafft und vor den Augen des neuen Festwochen-Chefs Markus Hinterhäuser Gnade gefunden. Angyan und Hinterhäuser sind befreundet; kein falsches Wort fällt also, und Klassikkenner dürfen ja dank langjähriger Erfahrungen mit den Managementqualitäten des Pianisten Hinterhäuser auch darauf vertrauen, dass auf den „Musik-Inseln“, die dieser parallel zum Programm des Musikvereins zur Festwochenzeit im Konzerthaus aufschüttet, entsprechend bunte Blüten gedeihen werden.

Allein: Der gelernte Wiener ahnt, was die Innovation zu bedeuten hat: Die finanziellen Umschichtungen werden nicht rückgängig gemacht, wenn Hinterhäuser nach drei Wiener Jahren als Festspielchef nach Salzburg übersiedelt. Und dann Gnade uns Apoll – die unglückliche Hand, die unsere Rathaus-Gewaltigen bei der Wahl von Kulturmanagern bis dato bewiesen hat, bescherte bei den Festwochen manche Ohrenpein beziehungsweise musikalische Dürrejahre in Serie.

Dass mit Hinterhäuser ein ausgewiesener Könner für kurze Zeit zum Festwochen-Capo wurde, steht ja unter Connaisseurs im Rang eines sozusagen produktiven Irrtums. Seinesgleichen geschieht in aller Regel bestenfalls einmal.

Wer den Blick in die nähere Vergangenheit zurückschweifen lässt, erkennt rasch, dass der Horizont bis in die Sechzigerjahre reichen muss, um genuine Festwochen-Musikproduktionen zu finden, die jenes Niveau erreichten, das einst Egon Seefehlner in seinen Konzerthaus-Musikfesten vorzugeben wusste.

Die Latte lag hoch – und konnte zuletzt wirklich nur noch von den Programmen gemeistert werden, die in den „geraden“ Jahren anlässlich der von der Gesellschaft der Musikfreunde gebotenen „Musikfeste“ geboten wurden. Diese liefen ganz unabhängig von der Festwochen-Planung.

Man darf gespannt sein, ob es gelingen wird, die Hoheit über diese höchst sinnvollen „Inseln“ 2017 wieder zurückzuerobern. Es wäre ein kleines wienerisches Wunder ...

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.