Einer, der nicht ausziehen musste, um prominent zu werden

Zum 85. Geburtstag des wienerischen Operntenors Waldemar Kmentt, eines Mannes der ersten Stunde im wiedererrichteten Haus am Ring.

Am Wochenende ist Waldemar Kmentt 85 geworden. Ein Tenor aus Wien, ein Musiker müsste man eigentlich sagen, denn der junge Mann, der gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Wiener Musikakademie besuchte, wollte Pianist werden, ehe man die Qualität seiner Stimme entdeckte und ihn zur legendären Nachwuchsbildnerin Elisabeth Radó schickte.

Kmentt war gerade 21, als man ihm die undankbare Tenorpartie in Beethovens Neunter anbot. Am Dirigentenpult stand Karl Böhm, gefürchtet, weil unduldsam gegenüber jedweder Schwäche eines jungen Künstlers. Er fand nichts zu klagen. Das hieß viel. Als Böhm im November 1955 ans Pult ging, um mit „Fidelio“ die Staatsoper wiederzueröffnen, war Kmentt dabei. Er sang den Jacquino an der Seite von Irmgard Seefried.

Da war er freilich längst nicht mehr wegzudenken aus dem wienerischen Nachkriegsensemble, das Interpretationsgeschichte schreiben sollte. Kmentt schrieb sie mit. Er war über lange Zeit neben Kollegen wie Anton Dermota, dem Florestan der ersten „Fidelio“-Stunde, erste Wahl für Mozart, sang den Belmonte, den Tamino mit demselben jugendlichen Charme und Tatendrang, wie er im Theater an der Wien noch der Stanislaus im „Vogelhändler“ war, als Wilma Lipp die Christel von der Post gab.

Den Hans in der „Verkauften Braut“ nicht zu vergessen, der zu Kmentts Leibrollen gehörte. Und den Hoffmann, den er in der Otto-Schenk-Inszenierung so intensiv und packend auf die Bühne brachte. Gäbe es einen Mitschnitt dieser Aufführung, er müsste in den Sammlungen von Opernfreunden, die Wert auf intelligente Rollengestaltungen legen, einen Ehrenplatz einnehmen.

Doch ist Waldemar Kmentt mangels vieler Tondokumente vor allem in der Erinnerung der Wiener Musikfreunde präsent, als einer, der auch improvisatorisch eingreifen konnte, wenn es nötig war: Für einen unpässlichen Kollegen sang er einmal das entscheidende Schlusswort des Herodes in Strauss' „Salome“, obwohl er als Narraboth schon lang den Freitod gesucht und gefunden hatte.

Narraboth war eine jener Partien, auf die Kmentt in seinen Ensembletagen quasi abonniert war. Er war da, hätte in aller Welt gastieren können und zog es vor, in Wien zu bleiben und daheim auch den Nachwuchs (und damit junge Ensemblemitglieder wie Wolfgang Bankl) auszubilden. Das vergisst man in der Opernstadt nicht.

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2014)

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