Auf Österreichs Festspielbühnen regiert Nostalgie

Placido Domingo versucht sich in Salzburg als Bariton, José Carreras singt in Erl noch einmal eine Tenorrolle.

Der vergangene Samstag brachte ein Comeback der beiden verbliebenen Protagonisten der legendären „Drei Tenöre“. Placido Domingo, zum Bariton mutiert, versuchte sich an Verdis Conte di Luna anlässlich der Salzburger „Troubadour“-Premiere mit Anna Netrebko. Und José Carreras stand nach jahrelanger Absenz noch einmal als Titelheld einer Oper auf der Bühne: In Erl gab man den für den spanischen Tenor komponierten „Richter“ von Christian Kolonovits.

Rücksicht auf ihr Alter müssen beide Herren schon nehmen. Carreras war fast ein Jahrzehnt nicht mehr auf der Bühne gestanden. Nun hat der Wiener Austropop-Vorreiter Christian Kolonovits, wie gewohnt geschickt mit Pop, Rock und Klassikanklängen spielend, eine Bühnenfigur für den Interpreten geschaffen, deren Gesangspart auf die reduzierte Tessitura Rücksicht nimmt.

Die Geschichte, die erzählt wird, hieß im Original „Lo niños perdidos“, wurde für Erl in „El Juez“ umgetauft und erzählt von den geraubten Kindern in der Ära der spanischen Franco-Diktatur. Staat und Kirche sorgten vor allem in den Fünfzigerjahren dafür, dass Sprösslinge nicht linientreuer Ehepaare zu guten Staatsbürgern erzogen wurden.

Die Uraufführung fand im April 2014 in Bilbao statt. Während und nach der Übernahme im Festspielhaus von Erl gab es Tränen; wohl solche der Wiedersehensfreude. Carreras kann sich auf seine Fans verlassen (Wiederholungen: 12./15.August.)

Ebenso wie Placido Domingo, dem sein Publikum auch die Stange hält, wenn er als Bariton nach unerreichbaren Belcanto-Sternen greift. Nach der Salzburger Festspiel-Premiere gab es jedenfalls nur Jubel.

Und die Opernfreunde in aller Welt können sich am 15.August (20.15, ORF II und Arte) davon überzeugen, wie ihr Idol eine Oktav tiefer als gewohnt klingt. Auch in Domingos Fall werden Erinnerungen wach. Im Festspielhaus hat er 1975 als Don Carlos unter Karajans Leitung sein Debüt gefeiert – im Jahr darauf wurde er in derselben Produktion übrigens von José Carreras abgelöst. Domingo war damals 34, Carreras 29...

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

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