Sie haben ein altes Klavier daheim? Seriennummer prüfen!

In Frankreich wäre beinah der historische Flügel von Hector Berlioz für 800 Euro verkauft worden. Jetzt wird ein seriöser Interessent gesucht.

Versteigerungen im Internet sind eine tolle Sache, vor allem im Sommer, wenn man damit rechnen kann, dass ein paar Menschen, die sich auskennen, auf Urlaub und daher vielleicht nicht ständig „online“ sind. So dachten wohl die fleißigen Bieter, die auf ein Inserat französischer Provenienz reagierten.

Ein altes Klavier stand zum Verkauf. Mindestgebot: 800 Euro. Die Fotografie, die beigefügt war, ließ Sammlern das Herz höher schlagen. Die Seriennummer des Erard-Fügels entpuppte sich nämlich als verräterisches Zeugnis. Das Instrument hatte einen prominenten Vorbesitzer, nämlich den Komponisten Hector Berlioz. Die Verkäuferin, die das Klavier, das sie selbst erst vor etwa einem Jahrzehnt erstanden hatte, loswerden möchte, weil es zu viel Platz im Ferienhaus verstellt, wurde stutzig, als sie plötzlich enorm hohe Angebote von Bietern bekam.

Diese wollten den Deal „möglichst rasch“ abwickeln. Ein Grund, stutzig zu werden. Die Recherche im Archiv der Firma Erard ergab, die Seriennummer 19972, die eingraviert ist, gehört zu jenem Flügel, den Madame Berlioz im Jahr 1847 in die Rue de Provence Nr. 41 in Paris liefern ließ.

Dort lebte und arbeitete Hector Berlioz. Zwar nicht gerade 1847, denn da war er auf Europa-Reise, konzertierte in Berlin und St. Petersburg, verbrachte dann viel Zeit in London. Aber immerhin: Das Te Deum, das 1848 für Versailles geschrieben wurde, und zwei Jahre später noch „L'Enfance du Christ“, also die beiden neben dem Requiem von 1837 bedeutendsten Chorwerke des Komponisten, könnten an diesem Instrument ausgearbeitet worden sein.

Grund genug für die plötzlich nicht mehr so klaviermüde Anbieterin, die laufende Internetversteigerung abzublasen. Die glückliche Besitzerin einer wertvollen Reliquie der französischen Musikgeschichte überlegt sich nun eine Strategie. Behalten will sie den Flügel nicht. Sie will aber auch nicht auf Teufel komm raus Geld verdienen. Am liebsten wäre ihr, so gibt sie an, es fände sich ein kundiger Käufer, der das Klavier, das arg lädiert ist, renoviert und dann wieder darauf musiziert.

Zur Sicherheit hat sie freilich auch bei der Pariser Cité de la musique und beim Berlioz-Museum in La Côte Saint André (Isère) nachgefragt, ob dort Interesse an dem Fundstück bestünde, und vor allem: ob man eine Expertise geben könnte, was das Berlioz-Piano tatsächlich wert ist.

Ein guter Ratschlag kam bereits von einem Auktionator: Eine Versteigerung durch ein renommiertes Auktionshaus könnte, so schätzt er, bis zu 50.000 Euro bringen.

Aber die Vorstellung, „ein russischer oder asiatischer Sammler“ könnte den Flügel aus Frankreich weit gen Osten verschiffen lassen, schreckt die Besitzerin ab.

So lohnt es sich vermutlich, den Fortgang der Geschichte zu verfolgen. Im Internet, wo das Verwirrspiel begann, finden sich alle Details im Forum www.76actu.fr – nebst einem Bild des plötzlich von so vielen Interessenten begehrten Stücks.

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2014)

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