In Bachmanns Namen muss es auch immer um Klänge gehen

Wo tagelang laut gelesen und gestritten wird, dürfen musikalisches Formgefühl und Sinn für Harmonie nicht fehlen.

Ein Wettlesen im Namen Ingeborg Bachmanns. Das hat im weitesten Sinn ziemlich viel mit Musik zu tun, denn Sprache, egal, ob Prosa oder Lyrik, unmusikalisch vorgetragen, entfaltet ihre Wirkung nicht recht.

Gerade Schriftsteller, die ihre eigenen Texte lesen, sind mangels entsprechender Vortragskunst oft verloren. Mangelt es ihnen am grundlegenden Verständnis der Gesetze von Phrasierung und Harmonie, ist das nicht weiter schlimm. Denn dann sind ohnehin notwendigerweise auch die Texte schlecht.

Ingeborg Bachmanns Sprache aber war von höchster Musikalität. Und die Musik spielte in ihrem Leben auch eine gewichtige Rolle. Über das Wunder Maria Callas hat niemand sensibler geschrieben als sie.

Des Öfteren finden sich in ihrer Lyrik ganze Gedichtzeilen, aus musikalischen Zitaten modelliert, so stark, so zwingend manchmal, dass sie zurückwirken auf die Symphonien, denen sie entnommen sind.

Mahlers Dritte kann man nicht mehr ohne die lyrische Assoziation hören, wer Bachmanns „Enigma“ kennt, ein Abschiedsgedicht der bewegendsten Art. Es ist Hans Werner Henze gewidmet, dem Lebensmenschen für Jahre, für den sich die Dichterin auch als Librettistin betätigt hat. Nicht ganz ohne Zwang übrigens: Henze berichtet in seinen Memoiren, dass er Bachmann in seiner prächtigen Villa in ein ebenso prächtiges Zimmer sperrte; solange die tägliche Libretto-Seite nicht geliefert war, wurde nicht geöffnet, gab es keine Mahlzeit...

Manche Dinge wollen erpresst sein. Bachmanns Operntexte sind von höchster Geschmeidigkeit, gut komponierbar, zweifellos, und im Fall der Kleist-Adaption des „Prinzen von Homburg“ sogar in zweifacher Hinsicht meisterlich: Ein Wortartist verwandelt das Werk eines anderen – um es in Klängen aufgehen zu lassen. Im Theater an der Wien war das Ergebnis vor ein paar Jahren zu bewundern.

Ingeborg Bachmanns fesselnde Sprachgewalt lockt Musiker bis heute. Vor ein paar Jahren kam Olga Neuwirths Komposition zu „Undine geht“ im wahrsten Sinn des Wortes in Wien „auf Schiene“. Man startet in Heiligenstadt, um die Novität schnellbahnfahrend zu erleben...

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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