Oper als Konzert? Nur ausnahmsweise erlaubt

Dass die Salzburger Festspiele Werke von Massenet oder Verdi serienweise konzertant anbieten, ist grotesk.

Konzertante Aufführungen von Opern sind weniger als eine halbe Sache. Man weiß das. Musiktheater ohne Theater ist nicht vollwertige Musik, dazu enthalten auch die liebsten unserer Repertoire-Highlights zu viel nur der „couleur locale“ geschuldete Bühnenmusik.

Freilich: Eine Opernaufführung im Konzertsaal kann ihren demonstrativen Zweck erfüllen. Als Herbert von Karajan einst daran ging, die Musikwelt zu erobern, zeigte er in Wien, was er als Opernkapellmeister kann, bei Aufführungen von Werken wie „Aida“ oder „Carmen“ – im großen Musikvereinssaal.

Die Stücke hatte man ein paar Meter weiter in der Staatsoper selbstverständlich im Repertoire, sang dort aber „Holde Aida“ und „Ja, die Liebe hat bunte Flügel“. Außerdem dirigierte dort eben nicht Karajan. Bei ihm wurde – was er dann auch im Opernhaus praktizierte – italienisch beziehungsweise französisch gesungen. Und die Wiener Symphoniker spielten – wie später die Berliner Philharmoniker in Salzburg – auf, als ob sie immer schon ein Opernorchester gewesen wären.

Auf solche Weise empfiehlt man sich als Opernintendant. Wie man weiß, war die Strategie in Karajans Fall erfolgreich.

Im Übrigen haben konzertante Aufführung nur einen Sinn, wenn sie Stücken gelten, die in der aktuellen Situation wenig Chance haben, szenisch gezeigt zu werden – wenn sie dennoch viel Musik enthalten, die hörenswert ist, dann frequentiert das Publikum sie mit Gewinn.

In Wien freuten sich Kenner beispielsweise, den „anderen Wozzeck“ – die gleichzeitig mit Alban Bergs Meisterwerk entstandene Vertonung desselben Büchner-Textes durch Manfred Gurlitt – hören zu können, oder ein Werk wie den in der Literatur durchaus als bedeutungsvoll eingestuften „Maschinist Hopkins“ von Max Brand. Auch Franz Schmidts musikalisch so reiche „Fredigundis“, die an einem schrecklichen Libretto krankt, genoss man musikalisch in vollen Zügen.

Hie und da provozierten gelungene konzertante Präsentationen sogar szenische Erfolge: So geschehen bei Paul Hindemiths „Mathis der Maler“, den Bertrand de Billy zunächst im Konzerthaus, dann aber auch in einer atemberaubenden Aufführung im Theater an der Wien vorstellen konnte. Eine veritable Ehrenrettung, die auch in Deutschland Folgen hatte!

Und ein Auftrag an Dramaturgen, Chancen zu nutzen, statt sinnlose Konzertaufführungen von Repertoire-Klassikern à la „Werther“ zu planen, die in nahezu identischen Besetzungen auf den großen Bühnen der Opernwelt szenisch zu erleben sind. Stars einmal in ungewohnten Rollen vorzustellen, das wäre eine Festspiel-Aufgabe . . .

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.