Wer könnte einem Nikolaus Harnoncourt nachfolgen?

Dirigent Nikolaus Harnoncourt
Dirigent Nikolaus HarnoncourtAPA/AFP/ERNST WUKITS
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Am Wochenende zog sich der charismatische Musiker, der eine Musiker- und Hörergeneration prägte, von der Bühne zurück.

Von der Erkrankung des Maestro wusste man. Doch blickten viele ungläubig auf den faksimilierten Brief Nikolaus Harnoncourts: Seine Kräfte würden es ihm nicht mehr erlauben, aufzutreten. Über 300 Auftritte hat dieser Musiker allein im großen Saal des Wiener Musikvereins absolviert. Seine Neugier hat den nimmermüden Forscher gewiss nicht verlassen. Er wird sie als Lehrmeister noch manchem Ratsuchenden einzupflanzen wissen.

Aber er wird nicht mehr seinem Publikum direkt suggerieren können, ihn auf seinem faszinierenden Weg zu begleiten. Das markiert einen Endpunkt einer Ära, das ist in diesem Fall wirklich nicht zu viel gesagt.

Während das Publikum nun in Erinnerungen schwelgen darf, fragen sich Künstlerkollegen, die zu Harnoncourt aufschauen wie zu ihrem musikalischen Vater, wie es weitergehen könnte. Michael Schade und Juliane Banse etwa, die mit der Neueinstudierung des „Fidelio“ für eine konzertante Aufführung im Theater an der Wien beschäftigt sind, die nach Harnoncourts Willen genau die Textfassung der zweiten Premiere von 1806 widerspiegeln soll. Selbst wenn der Meister die Proben mitgestalten sollte, wer steht am Abend bei dieser „Leonore 1806“ im Fokus?

Noch viel mehr gilt das für den Beethoven-Zyklus, der mit dem Concentus in Graz geplant ist – das Festival "styriarte", mit Haut und Haar dem einen charismatischen Künstler verschrieben, verliert mit dessen Rückzug seine Seele. Die Musikfreunde pilgerten in den Stefaniensaal und sogar in die nicht gerade attraktive List-Halle, um ihr Idol bei der Lösung unterschiedlichster Rätsel von Mozart bis Offenbach und Bizet, sogar Gershwin zu erleben . . .

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2015)

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