Zur Ehrenrettung des großen Wieners Clemens Krauss

Auch wiederholte Attacken von notorischen Querulanten können künstlerische Exzellenz nicht aus der Interpretationsgeschichte tilgen.

Nachdem notorische Querulanten nun schon seit Jahren das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, den gewiss besten Imagefaktor dieses Landes in der großen, weiten Welt, als eine Art Wiederbetätigungsveranstaltung verunglimpfen und mittlerweile auch das Andenken des Gründervaters des Ereignisses mit allen Mitteln anzupatzen versuchen, seien hier ein paar Hinweise für all jene hergesetzt, die erfahren möchten, wer Clemens Krauss wirklich war und warum man seiner als eines der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts gedenken darf.

Krauss war der deklarierte Favorit von Richard Strauss, der die Präzision der Einstudierungsarbeit, aber auch die Tatsache schätzte, dass über so viel Genauigkeit die Spontaneität des Musizierens, die Lust am Klang und dessen Eloquenz nicht verloren gingen.

Aus der Münchner Zeit des Dirigenten, horribile dictu 1942 aufgenommen, hat sich ein „Rosenkavalier“ erhalten, eine der brillantesten, weil ganz an Hofmannsthals Text orientierten, die Strauss'schen Klänge daraus entwickelnden Interpretationen, die sich denken lassen. Man höre den Beginn des zweiten Akts, wie sich die quirligen Stimmen scheinbar planlos, ganz die nervöse Situation im Palais des Herrn von Faninal widerspiegelnd ineinander verschlingen, ohne doch zu verschwimmen; wie im folgenden Dialog trotz aller Geschäftigkeit der Text deutlich artikuliert wird; und wie natürlich sich die Steigerung entwickelt, die in die folgende Rosenüberreichung führt, die wiederum zum bezaubernden lyrischen Ruhepunkt wird. Auch hier scheinen die Melodien aus Hofmannsthals Poesie geradezu herauszufließen.

Die erste Viertelstunde dieses Opernakts geht vorbei wie im Flug. Für solche musikdramatische Kunst steht der Name Clemens Krauss. Er steht auch für die Fortführung einer wienerischen Spielkultur bei den Philharmonikern, die er nicht zuletzt mit der Etablierung des Neujahrskonzertes zu fundieren wusste; als kräftiges Lebenszeichen eines kulturellen Selbstverständnisses in einer Zeit, als das Wienerische nicht hoch im Kurs stand.

Das letzte von Krauss dirigierte Neujahrskonzert (1954) ist nicht nur als Studioproduktion überliefert, die damals für den Schallplattenverkauf hergestellt wurde, sondern gottlob auch als Livemitschnitt. Da hört man die Walzer und Polkas mit Entspanntheit, Eleganz, getragen von einer duftig-transparenten Spiellaune, die das Publikum mehr als einmal Dacapos fordern ließ. Die durften die Musiker damals noch gewähren; es gab ja noch keinen rigorosen TV-Fahrplan . . .

E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2016)

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