Der Haydn-Saal ist Privatsache – Haydn nicht

Die Haydn-Festspiele werden 2016 noch einmal im Eisenstädter Schloss stattfinden. Danach wird erneuert.

Die Nachricht ist, bei Licht betrachtet, weniger alarmierend, als es zunächst scheinen mag. Die private Betriebsgesellschaft des Schlosses in Eisenstadt verweigert den traditionsreichen Haydn-Festspielen die Zusammenarbeit. Für 2016 vermietet man den Haydn-Saal noch, wie gewohnt, in der zweiten Septemberwoche, 2017 richtet die Esterhazy-Privatstiftung just in dieser Zeit selbst ein Fest aus.

Zu diesem Zweck hat man sich des neuen Leiters der Haydn-Philharmonie versichert: Nicolas Altstaedt wird aus dem österreichisch-ungarischen ein „internationales“ Ensemble machen, dessen Programmplanung um Musik aus dem 19. bis 21. Jahrhundert erweitern und Klassik möglichst „auf Originalinstrumenten“ musizieren. Die Neuorientierung soll sich in Konzerten über das Jahr manifestieren. Im Jänner 2017 gibt man „Die Schöpfung“. Orchestergründer Adam Fischer scheint man damit völlig überrascht zu haben. Er will das Orchester in den kommenden Jahren jedenfalls definitiv „nicht dirigieren“.

Wie das neu zu gründende Esterhazy-Festival inhaltlich aussehen wird, soll im September mitgeteilt werden. In der Zwischenzeit wird sich das traditionsreiche Haydn-Festival, das 2016 noch einmal zum gewohnten Zeitpunkt im Haydn-Saal stattfinden wird, neu orientieren.

Der Saal im Eisenstädter Schloss ist ja nicht die einzige historisch relevante Spielstätte für Musik Joseph Haydns, die Intendant Walter Reicher jedenfalls auch weiterhin in den Mittelpunkt des Programms stellen wird. Ihm ist es in fast 30 Spielzeiten gelungen, Licht ins Dunkel des weitgehend vernachlässigten Haydn-Repertoires zu bringen.

Über die Jahre hin haben die Festspiele etwa sämtliche Symphonien, Oratorien und Messen des „Vaters der Wiener Klassik“ aufgeführt und auch alle vollständig erhaltenen Opern des Meisters in beachtenswerten Produktionen szenisch gezeigt. Überdies haben die Programme des Festivals Verbindungslinien zu Haydns wichtigsten Zeitgenossen und Zeitströmungen aufgezeigt und die singuläre Stellung dieses Komponisten damit eindrucksvoll demonstriert.

Angesichts des immensen Erbes, das Haydn hinterlassen hat, gibt es noch viel zu tun. Mag der Haydn-Saal Privatsache sein, das Schaffen des Komponisten ist es nicht. Dessen Aufarbeitung sichert dem Festival einzigartigen Status – abzulesen längst an wissenschaftlichen Publikationen und CD-Editionen. Ob im Haydn-Saal realisiert oder anderswo: Die Kontinuität von Walter Reichers kompetent und liebevoll arrangierten Programmen ist für Österreichs Festspiellandschaft unverzichtbar.

E-Mails: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2016)

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