Die opernlose, die schreckliche Zeit - wird längst überbrückt

Auf Riesenleinwänden oder daheim im Wohnzimmer via Fernsehapparat - Oper ist allgegenwärtig und macht keine Sommerpause mehr.

Früher einmal war fast alles besser, zugegeben. Aber nur fast. Opernfreunde zum Beispiel betrachteten die – im Übrigen sehnlichst herbeigesehnten – Sommerferien als empfindlich gestört durch die Tatsache, dass die Wiener Opernhäuser mit 30. Juni ihre Pforten schlossen.

Wer sich die immens teuren Salzburger Festspielkarten nicht leisten konnte – mit Schrecken beobachtete man das Überschreiten des 1000-Schilling-Rubikons im Jahr 1975! –, musste mit den Ö1-Sendungen vorlieb nehmen, „Carlos“ unter Karajan, „Frau ohne Schatten“ unter Böhm . . .

Heutzutage ist alles anders: „Die Liebe der Danae“ und „Faust“ kommen via TV frei Haus und exkulpieren die GIS-Gebühren, indem sie ihnen ein dezentes Kulturmascherl umbinden. Dabei, apropos, verstehe einer, warum Oper und Theater so stiefmütterlich behandelt werden – liest man die jubelnden Quotenberichte über die aktuellen Fußballübertragungen und vergleicht sie mit den Werten, die Opern erreichen konnten, dann stimmen die Verhältnisse nicht.

Kroatien gegen Portugal sahen, so heißt es, „bis zu 704.000“ Menschen. Ich schlage nach: „Der Rosenkavalier“ anno 2014 brachte es auf „bis zu 503.000“. Na bitte. Dabei dauerte die zeitversetzte Übertragung damals bis zwei Uhr früh (da sollen immer noch an die 100.000 zugeschaut haben).

Überschlagen wir jetzt nicht das Verhältnis von Fußball- zu Kulturübertragungen, freuen wir uns lieber daran, dass die mediale Verbreitung der schönen Dinge üppig ins Kraut geschossen ist. Die New Yorker Met feiert immerhin den zehnten Jahrestag ihrer ersten weltweiten Kinoübertragung; die Stadt Wien feiert mit und zeigt einige Aufnahmen, die bei dieser Gelegenheit entstanden sind, auf der Riesenleinwand vor dem Rathaus; und erinnert überdies an die jüngst dahingegangenen prägenden Interpreten Nikolaus Harnoncourt (mit dem von Jean-Pierre Ponnelle inszenierten Monteverdi-,,Orfeo“) und Pierre Boulez (mit Mahlers Siebenter).

Auf dem Rathausplatz, wo es im Übrigen längst nicht mehr so opernlastig zugeht wie in den Anfängen der populären Freiluftaktion, gibt es auch die von Christian Thielemann dirigierte aktuelle „Hänsel und Gretel“-Produktion aus der Staatsoper zu sehen.

Das Haus am Ring selbst verabschiedet sich mit der zweimaligen Live-Übertragung der „Manon Lescaut“ mit Anna Netrebko auf dem Karajan-Platz. Und auch das zuletzt technisch wegen einer Störung des amerikanischen Servers indisponierte Live-Streaming funktioniert wieder: Für 29. Juni ist „Figaros Hochzeit“ avisiert.

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2016)

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