Ein Finale als Auftakt zu neuen Klassiktaten

Noch einmal gibt es Haydn-Tage im Festsaal des Eisenstädter Esterházy-Schlosses: der Hinauswurf als Neustart.

Demnächst beginnen in Eisenstadt die Haydn-Tage, die 28. in Folge – und die letzten, die in Schloss Esterházy stattfinden dürfen. Dass man die Festspiele in ihrer bisherigen Gestalt vor die Tür gesetzt hat, ist unschön. Doch darf in der Privatwirtschaft naturgemäß jeder über seine Besitztümer selbst verfügen.

Gezeter ist also nicht am Platz. Auch der Verweis auf die Tatsache, dass die findigen Festivalmacher über drei Jahrzehnte dem sogenannten Haydn-Saal erst zu jener internationalen Prominenz verholfen haben, die es allen künftigen Konzertveranstaltern möglich macht, weithin Beachtung zu finden, wenn man an „geweihtem Ort“ Konzerte gibt, ist müßig.

Die Sache hat für die burgenländische Kulturszene sogar ihr Gutes, denn die Haydn-Festspiele werden unter der Leitung ihres bisherigen Intendanten, Walter Reicher, weitergehen und künftig die unterschiedlichsten Örtlichkeiten hochkarätig bespielen. So wird man nach und nach draufkommen, dass die Region reicher an bemerkenswerten Sälen und historisch bedeutsamen Plätzen ist, als man gemeinhin glauben möchte.

Walter Reicher ist schließlich ein Garant dafür, dass auch Connaisseurs oft aus dem Staunen nicht herauskommen, was die Musikgeschichte an spannenden, halb oder ganz vergessenen Kostbarkeiten birgt. Dass Musikfreunde heutzutage wissen, welcher Art Joseph Haydns einstige Tätigkeit wirklich war, liegt zu einem Gutteil daran, dass die Haydn-Festspiele über die Jahre hin konsequent den Musiktheatermann Haydn in den Fokus zu bringen wussten.

Die Hauptbeschäftigung des Komponisten war ja lange Zeit nicht, die Symphonie und das Streichquartett zu „erfinden“ und für künftige Generationen zu den wichtigsten Instrumentalgattungen zu machen. Haydn war lange Zeit vor allem als Opernkapellmeister aktiv. Davon hatte man angesichts des reduzierten Repertoires unserer Opern- und Konzerthäuser keine Ahnung. Jetzt weiß man es.

Und es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die 28. Haydn-Tage am kommenden Donnerstag mit einer Zauberhaften Kammeroper namens „La Canterina“ anheben, konfrontiert mit weiteren raren Haydn-Werken und Arien aus der Oper „Semiramide“ von Josef Mysliveček, den wiederum Mozart – der ein scharfer Kritiker war – als einen der wenigen seiner Zeitgenossen wirklich für genial hielt: „il divino boemo“, der „göttliche Böhme“ ist, was das Festival 2016 betrifft, Vorreiter für manche Kollegen, die im 18. Jahrhundert in böhmisch-mährischen Landen (wo ja auch Haydns Karriere anhob) zu Ruhm und Anerkennung kamen: Koželuch und Vanhal, Dittersdorf und Dussek – und einmal auch der in der Nähe von Iglau geborene Gustav Mahler kommen heuer zu ihrem Recht.

Dazu Haydn, versteht sich – akustische Aha-Erlebnisse bis 18. September garantiert (www.haydnfestival.at).

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.