Als man Kulturjournalisten noch mit dem Schirm attackierte

Erinnerungen an Franz Endler, der dieser Tage 80 geworden wäre und die Kultur im Land noch als das behandelte, was sie ist: eine Hauptsache.

Heftige Diskussionen waren programmiert, wenn er zu heiklen Themen Stellung nahm: Franz Endler, der dieser Tage 80 Jahre alt geworden wäre, war in diesem Blatt – und später noch beim „Kurier“ –, was man einen Reibebaum nennt. Denn er nahm sich kein Blatt vor den Mund, wenn er gegen etwas war, oder für jemanden, der vielleicht gerade Unterstützung nötig hatte, um beweisen zu dürfen, was er kann.

Zum Journalismus war er geboren. Dass er ihn als Musikkritiker ausübte, verdankte er seiner grundlegenden musikalischen Bildung, die in Kindertagen bei den Sängerknaben begann – und mit dem Doktorat in Musikwissenschaften schloss. Seine Dissertation widmete er – wie denn auch anders? – einem seiner großen Vorgänger bei der „Neuen Freien Presse“, Julius Korngold, dem Vater des „Tote Stadt“-Komponisten und nachmaligen Hollywood-Meisters Erich Wolfgang Korngold.

Apropos angeborener journalistischer Instinkt: Wer Franz Endler in der Redaktion erleben durfte, wenn es schnell gehen musste, wird nie vergessen, in welcher Geschwindigkeit er hieb- und stichfeste Geschichten (damals noch buchstäblich) zu Papier brachte. Alles, was er dazu brauchte, war die genaue Zeilenanzahl, die gefordert war – und dann Ruhe und viele Mentholzigaretten. Den Rest hatte er im Kopf.

Die Begleiterscheinungen seiner Arbeit sind legendär, von der Salzburger Regenschirmattacke aufgebrachter „Karajaniden“ nach seiner (später bestätigten) Behauptung, schon im zweiten Jahr würden die Osterfestspiele eine Subvention nötig haben, bis zu den Scharmützeln mit dem Festspiel-Intendanten Gerard Mortier. Man hat nicht vergessen, dass dieser Mann es verstand, Kultur noch einmal zu einer Sache zu machen, die in diesem Land alle angehen sollte.

Wollen wir darüber auch nicht vergessen, dass Franz Endler auch sehr ernsthafte, vor allem mit spürbarer Liebe zur Sache geschriebene Bücher zu historischen, vornehmlich kaiserlich-königlichen Austriaca verfasste, Bücher, die in Zeiten, da Zeitgenossen, die etwas auf ihre Bildung hielten, ihre Bibliotheken noch nicht durch E-Reader ersetzen zu können glaubten, zum Fixbestand gehörten.

Und dass er schon als Jugendlicher für sich ein Pseudonym erfand, unter dem er die fiktiven Feuilletons eines soignierten älteren Herrn publizierte, der die Welt nicht mehr versteht. Er hat dieses Alter staunender Ratlosigkeit nicht erleben dürfen, aber viel vorweggenommen, was angesichts aktueller sogenannter Kulturpolitik zu sagen angebracht wäre . . .

E-Mails an:wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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