Große Meisterwerke der Musik enthalten oft „keine Musik“

Vorschlag für einen Einführungskurs in Sachen E-Musik: „Bolero“ und „Carmina Burana“, heute in der Wiener Volksoper.

Der „Bolero“, bekannte Maurice Ravel, sei sein größtes Werk. „Leider enthält er keine Musik“, ergänzte er, hintergründig wie immer. Er brachte damit die Krise der musikalischen Rezeptionsgeschichte des 20. Jahrhunderts auf den Punkt. „Das ist keine Musik mehr“, diesen Satz haben Legionen von Hörern, mit ihnen Unvertrautem konfrontiert, gesprochen. Jazz, Elektronik, Zwölfton-Avantgarde, Minimal Music – für manchen führte der musikalische Fortschritt in Klangregionen, die er nicht mehr als „Musik“ bezeichnen wollte.

Andererseits gab es stets strenge Richter, die alles brandmarkten, was ihnen zu wenig fortschrittlich schien. Auf diese spielt Ravel an. Natürlich ist sein „Bolero“ ein musikalisches Kunstwerk. Und was für eines. „Musik“ im Sinn eines hoch entwickelten kontrapunktischen Denkens enthält er tatsächlich nicht. Doch die raffinierte, durch immer neue instrumentationstechnische Beleuchtung bis zuletzt spannende Wiederholung der immer gleichen Melodie in immer der gleichen Tonart hat schon aufgrund ihres kühnen reduktionistischen Konzepts Kunststatus; die kleine Rückung nach E-Dur kurz vor Schluss als Energiequelle für den finalen Zusammenbruch tut dann das Ihrige.

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