Opernwahrheit: Wir ernten dank Waechters Aussaat

Vor 20 Jahren starb Eberhard Waechter beim Spazierengehen im Wienerwald. Er hatte die Kraft gehabt, der Staatsoper den Weg zu weisen.


Wahrscheinlich hätte es ihn gefreut, dass die Volksoper gerade einen großen Erfolg mit einem riskanten Projekt erringen konnte: Eberhard Waechter, vor ziemlich genau 20 Jahren jäh aus seinem Intendanten-Leben gerissen, war mit Leib und Seele Direktor des Hauses am Gürtel gewesen, ehe er zusätzlich die Leitung der Staatsoper übernahm.
Am Ring gedachte man des Ehrenmitglieds mit einer Matinee, in der unter anderen Wegbegleiter wie Otto Schenk und Anja Silja zu Wort kamen; aber auch Bo Skovhus, der in der Ära Waechter in Waechters Leib- und Magenrolle, dem „Don Giovanni“, sein Wien-Debüt feierte und dann so etwas wie der künstlerische Ziehsohn des Direktors wurde. – Sich an Eberhard Waechter zu erinnern, das heißt auch: Große Vorstellungen der Staatsoper Revue passieren zu lassen – und solche, die erst groß wurden, als er in Erscheinung trat.


Waechter war mit ganzer Seele ein Vertreter des wienerischen Ensemblegedankens, der das Reisen hasste und sich ganz in den Dienst „seines Hauses“ stellte. Und wenn einmal Sopran und Tenor in einer „Tosca“-Vorstellung nicht den allerhöchsten Erwartungen entsprechen mochten, wusste man, dass zumindest das Finale des ersten Aktes zum packenden Musiktheatererlebnis werden würde, wenn sein Name auf dem Programm stand.
Sobald Waechter zu Puccinis brutaler Akkordsalve, einer Art tönender Trinität des Bösen, die Szene betrat, war er die Inkarnation des widerlichen römischen Polizeichefs. Wie er ja auch das Inbild des unwiderstehlichen Charmeurs sein konnte, ob zu Mozart'schen Serenadenklängen (im „Don Giovanni“) oder, ganz anders, Lehárs „Maxim-alen“ Schmeichelphrasen.


Charisma besaß Waechter im Übermaß noch in Zeiten, da die Stimme nicht mehr von jener Schönheit war, wie sie uns aus frühen Aufnahmen entgegenklingt, auf Opern-Livemitschnitten, aber auch aus der Studioproduktion von Schumanns „Dichterliebe“ mit Alfred Brendel.
Seine Leidenschaft für das Opernmachen hatte er zunächst als Volksopern-Prinzipal ins Managertum umgemünzt. Dass aus der Staatsoper wieder ein – wenn auch nach modernen Maßstäben umgestaltetes – Ensemblehaus werden könnte, daran hatten Ende der Achtzigerjahre nur noch er selbst und eine Handvoll Aufrechter glauben wollen. Und eine Ministerin, der Wien bis heute zu Dank verpflichtet ist, dass sie die Bestellung wagte.
Wenn die Staatsoper auf einen künstlerisch außergewöhnlichen Monat wie den März 2012 zurückblickt, basiert das auf dieser Weichenstellung von 1991. Waechter hat die Früchte seiner Aussaat nicht ernten können – aber das Wiener Opernleben wäre ohne ihn nicht, was es heute ist.


E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.