Wer waren die Bildhauer Frass und Riedel?

Im „Denkmal des toten Soldaten“ in der Krypta am Wiener Burgtor haben zwei Bildhauer zwei völlig unterschiedliche Manifeste versenkt.

Gestern wurde Gewissheit, was immer vermutet wurde: Der Bildhauer Wilhelm Frass hat 1935 im Betonsockel seines „Denkmals des toten Soldaten“ eine Metallkapsel mit einem „nationalsozialistischen Huldigungsschreiben“ über die Vereinigung des „deutschen Volkes“ versenkt. Zur großen Überraschung wurde aber noch ein zweites „Manifest“ in derselben Kapsel gefunden: Der „pazifistische Aufruf“ eines anderen Bildhauers, eines gewissen Alfons Riedel. Dieser wünscht sich darin, „dass künftige Generationen unseres unsterblichen Volkes nicht mehr in die Notwendigkeit versetzt werden, Denkmäler für Gefallene aus gewaltsamen Auseinandersetzungen von Nation zu Nation errichten zu müssen“.

Die Interpretation dieser beiden, auf den ersten Blick ideologisch gegensätzlichen Botschaften steht noch aus, die Kombination wirkt jedenfalls sehr österreichisch. Wer aber waren diese beiden Künstler, die hier wie in einem Science-Fiction-Film per Botschaft in der Kapsel die Zeiten überwinden?

Wilhelm Frass ist sozusagen amtsbekannt, 1886 in St. Pölten geboren, vier Jahre Frontdienst im Ersten Weltkrieg, dann ausgebildet zum Bildhauer an der Akademie in Wien. In den 1920er-Jahren machte er sich im Genre Kriegerdenkmal einen Namen. Böheimkirchen, Tarrenz, Melk, Schwertberg, Mautern, St. Pölten wurden u.a. mit damals als „ergreifend“ empfundenen Kriegerfiguren ausgerüstet. 1934 begann er die Arbeit an dem „Heldendenkmal“ im äußeren Burgtor.

Frass war im Ständestaat hoch angesehen, 1936 bekam er den Großen Staatspreis zugesprochen und ein Staatsatelier in der Krieau. Er war Mitglied der Secession, in der NS-Zeit leitete er die Hochschulklasse der Kunst- und Modeschule der Stadt Wien und arbeitete als Sachberater für Bildhauerkunst im Kulturamt. Und nach 1945? Da setzte sich gerade Architekt Josef Hoffmann für ihn ein, zum Tod 1968 erhielt er ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Der Werdegang des Wiener Plastikers Alfons oder Alphons Riedel ist weniger zugänglich, obwohl er 1961 bis 1965 Präsident des Wiener Künstlerhauses war. Vor allem aber schuf er Kunst am Bau, ein wenig prestigereicher, vor allem zu wenig aufgearbeiteter Bereich der Wiener Kunstgeschichte. 1901 in Wien geboren, könnte er ein Schüler von Frass gewesen sein.

Im Ständestaat muss er als aufstrebender Künstler gegolten haben, er war 1936 bei einer Ausstellung bei den Olympischen Spielen in Berlin vertreten sowie bei der Biennale Venedig. Aus der NS-Zeit sind nach ersten Recherchen keine besonderen Tätigkeiten bekannt, dafür umso mehr aus dem Roten Wien, etwa die „Hernalser Allegorie“ in der Hernalser Hauptstr. 98–100 oder die Büste des Dichters im Anton-Wildgans-Hof. In den 60er-Jahren arbeitete Riedel u.a. an einem 15 Meter langen Steinrelief im Gedenken an die NS-Opfer. Sein einbetonierter Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2012)

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