Abschied vom Lego-Kreuz? Der Kunst-Jesuit zieht weiter...

Jesuit Gustav Schörghofer, unser Verbindungsmann in Sachen Kunst und Kirche, verlässt sein Terrain, die Wiener Jesuitenkirche.

Fast ist es, als hätte die Jesuitenkirche Masern – lauter rosa Tupfen zieren die Bankreihen. Christian Hutzinger heißt der zeitgenössische Virus, der den Barockraum befallen hat (was jetzt heftiger klingt, als es ist). Sind es doch „nur“ (fast) runde Heftchen in Neonpink, die auf den Pulten verteilt ein unregelmäßiges Muster bilden. Jeder soll eines der Hefte mitnehmen, wodurch sich das Erscheinungsbild laufend verändert.

Blickt man in die Folder selbst – wieder abstrakte, lustige Formen in Leuchtfarben. Die große Informationsflut kann man Hutzinger nicht vorwerfen. Nehmen wir das Musterbüchlein also als Sehanleitung für den Kirchenraum, worauf auch die collageartig eingefügten Ausschnitte des Kirchenmarmors hindeuten. Das unvollendete Rund, die gestörte Illusion prägt schließlich diesen eindrucksvollen Raum, vor allem durch die Illusionsmalerei Andrea Pozzos, die eine Kuppel vortäuscht. Was zur Wiener Allgemeinbildung gehören sollte.

Genauso wie man in der Kunstszene wissen sollte, wer „zu verantworten“ hat, dass die Jesuitenkirche (bis zur Eröffnung des 21er Hauses) eigentlich die größte Kunsthalle der Stadt für raumfüllende Installationen war. Höhepunkt war das deckenüberspannende Himmelsfoto von Steinbrener/Dempf. „Zu verantworten“ deshalb, weil es wegen des von Gustav Schörghofer kuratierten Programms legendäre Auftritte gab, bei denen Vorgesetzte wutschnaubend die Kirche verließen – mit den Worten „Das werden Sie zu verantworten haben“.

Das bezog sich 2004 auf den neuen, aus zwölf Betonsesseln zusammengesetzten Altar von Michael Kienzer und die Heiligen Gefäße aus Legosteinen von Manfred Erjautz. Dazu gehörte auch ein Lego-Stehkreuz, das später in einer Vandalenaktion zerstört wurde. Heute grüßt es wieder aus sicherer Entfernung, von der Kanzel.

Schörghofer ist ein unermüdlicher Kämpfer für die Künstler, der einzige in der Nachfolge Monsignore Otto Mauers. Nach 15 Jahren verlässt er jetzt als Pfarrer die Jesuitenkirche. „Wir werden von Zeit zu Zeit versetzt, das ist üblich“, sagt er. Auch er selbst wollte eine Veränderung. Ab Juni wird er deshalb in einem modernen Kirchenraum der 60er, der Konzilsgedächtniskirche in Lainz, seine von vielen geliebten Predigten halten. Ob die Jesuitenkirche weiterhin einmal im Jahr einem Künstler – gar einer Künstlerin? – die einzigartige Möglichkeit der Intervention bietet, ist offen. An Kooperationen mit Lainz werde jedenfalls gedacht, kündigt Schörghofer an. Den kleinen Kunstraum „Jesuitenfoyer“ betreut er weiterhin. Die Ausstellungen in der Zacherlfabrik in Wien 19 ebenfalls. Fragt sich nur, wer ihn als Künstler-Seelsorger ablöst. Denn diese Berufung der Erzdiözese endete 2012.

E-Mails:almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2013)

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