Die Wurst in der Vagina: Magdalenas Porno-Land-Trip

Oh ja, der Kunstmarkt kann glamourös und verlogen sein. Aber das wurde selten so komisch beschrieben wie in Tom Wolfes neuem Buch.

Wäre es nicht so komisch, müsste man heulen: so zynisch und so authentisch wie Tom Wolfe in seinem neuen Roman „Back to Blood“ die „Cutting-Edge“-Kunstszene rund um die „HighEnd“-Kunstmesse „Art Basel Miami Beach“ beschreibt. Nämlich aus der Sicht eines naiven kubanischen Girlies, das weder von „Cutting-Edge“ noch von „High-End“ je gehört hat. Und auch nicht von Feminismus, so unverhohlen sexistisch wie sie ihre Taktik anlegt, um über ihren verdammt sexy Körper den eigenen Wurzeln in der exilkubanischen Community zu entkommen. Das bittere Ende kann man sich bitterer nicht vorstellen. Zuvor aber darf man sich mit Magdalena, so der biblische Name der befleckten Empfängerin, ein wenig amüsieren und sie während ihres steilen Aufstiegs in die weiße männliche Millionärswelt begleiten.

Natürlich braucht man als Sammler in diesen Gefilden seinen eigenen „A. A.“ (Art Adviser), dem man sein Urteil bedingungslos überantwortet. Natürlich ist die Kunst, die man jagt, pornografisch – der ewig geile alte Millionärsknacker kauft prompt unter dem moralischen Mäntelchen „Cutting-Edge“ ein paar in Kristall gefräste Sexszenen vom neuesten Kunstmarktstar. Und natürlich geht man zur Eröffnung der „Art Basel Miami Beach“, laut „A. A.“ nur „Basel Miami“ genannt. Dort winden sich, Minuten bevor sich die Tore des unscheinbaren Messezentrums in Miami öffnen, hunderte Millionäre in Sneakers „wie die Maden“ im Speck. Ein geschwätziger Oligarchen-Mob, der dem der Hausfrauen „vor dem 40-Prozent-Ausverkauf nach Weihnachten“ um nichts nachsteht.

Für Magdalena ist das alles nur lächerlich. Der Höhepunkt der Lächerlichkeit ist aber der abendliche Auftritt einer gewissen „Heidi Schlossel“ in einem Museum im schicken Design-District: „De-fucked“ heißt die Performance, bei der Heidi – „15 Jahre zu alt und 15 Kilos zu schwer für diese Rolle“ – am Ende nackt dasteht und sich aus ihrer Vagina eine Wurst nach der anderen zieht – und dazu schreit: „de-fucked, de-fucked, de-fucked.“ Ein Herrenwitz im Cutting-Edge-Re-Virginisierungsdamenprogramm.

Die Unschuld hat bei Tom Wolfe keinen leichten Stand. Mit seinem Brachialangriff auf die glamouröse Seite des Kunstmarkts bläst er jedenfalls in ein Horn, das zur Zeit zum guten Ton zu gehören scheint. Kunstmarktjournalisten verkünden öffentlich ihren Rückzug von dieser verlogenen Luxuspartie. Mit diebischem Vergnügen verfolgt man den derzeitigen Fall des großen Kapitalistengaleristen Go-Go Gagosian, der mittlerweile mehr Gerichtsverfahren als Starkünstler zu managen scheint. Und Wiener Galeristen geben in einer Art Manifest bekannt, mit so etwas Banalem wie Geld bitte nichts zu tun zu haben. Selten so gelacht. Bei Tom Wolfe.

E-Mails an:almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2013)

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