Holz vor der Hütte? „Blech vorm Schwanz“!

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Die Verhüllung antiker Nacktheit – wie jetzt in Rom für den iranischen Präsidenten – hat eine lange Tradition.

Bretterverschlag vor Skulptur kommt Ihnen bekannt vor? 2003 war es, als in Salzburg der „Arc de Triomphe“ der Künstlergruppe Gelatin verhüttelt wurde, offiziell, von der Feuerwehr. Prinz Charles hatte sich bei den Festwochen angesagt, er sollte nicht sehen, was der nackte Plastilinmann sich da so lustvoll in den Mund spritzte. Dieselben Leute mokierten sich über diese Skulptur, die sich jetzt über die Verhüttelung antiker Nacktheit in den Kapitolinischen Museen in Rom anlässlich des Staatsbesuchs des iranischen Präsidenten, Hassan Rohani, aufregen. So viel nur zur plötzlichen allgemeinen Kunstbeflissenheit.

Wer genau diese Geste in Rom angeordnet hat, ist allerdings noch nicht geklärt. Die italienische Regierung distanzierte sich gestern offiziell von diesem Akt der Verhüllung. Die betroffene „Kapitolinische Venus“ und der „Bogenspannende Eros“ nahmen derlei wohl gelassen zur Kenntnis. Anziehen, ausziehen – den Stress kennen sie.

Gleich nach dem Tod Michelangelos, 1564, war es etwa so weit: Der Vatikan ließ noch dazu einen Schüler des Meisters, Daniele de Volterra, die muskulösen Nackedeis an der Decke der Sixtinischen Kapelle, die sich hier wie in einem „unanständigen Badehaus“ (Pietro Aretino) tummelten, mit Tüchern überpinseln – worauf der arme Volterra als „Hosenmaler“ in die Kunstgeschichte einging. Mittlerweile sind die Tücher wieder gelüpft, nun ja, fast alle, bei Petrus' bestem Stück blieb man gnädig, oder ungnädig, je nachdem; man wüsste gern, ob Rohani vom Papst auch hierher geführt wurde.

Doch nicht nur die Kirche hatte ihre Probleme mit der antiken Feier göttlicher Schönheit. Rund 100 Jahre nach Michelangelo, 1670, ließ der junge römische Prinz Giovanni Battista Pamphili den Venus-Statuen aus der Antikensammlung seines Vaters Stuckgewänder anpassen. Im 18. Jahrhundert war man weniger galant, die Bourbonen ließen den Statuen im Archäologischen Museum Neapel die Geschlechtsteile einfach abschlagen. Garibaldi ließ die Phalli dann aus dem Archiv holen und wieder ankleben. Über die „Löcher“ waren zuvor die berühmten Feigenblätter gehängt worden, eine Mode, die bis nach dem Ersten Weltkrieg üblich war. Ab 1900 wurde das Ganze immer lächerlicher, die Leute fingen an, die metallenen Verhüllungen zu stehlen, die Museumswärter schnitten die Blätter aus Papier nach.

Der deutsche Archäologe Johann Joachim Winckelmann nannte diesen Brauch 1759 in einem Brief aus Rom beim Namen: „Diese Woche wird man dem Apollo, dem Laokoon und den übrigen Statuen im Belvedere ein Blech vor den Schwanz hängen vermittelst eines Drahts um die Hüften: Vermutlich wird es auch an die Statuen im Kapitol kommen. Eine eselsmäßigere Regierung ist kaum in Rom gewesen, wie die itzige ist.“ Genau.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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