Über den Deal, der die „Sammlung Hessl“ ins Künstlerhaus brachte: Retter der Kulturnation sehen anders aus.
Es war tatsächlich das freundlichste, offenste Kunstmuseum, das wir in Österreich hatten, wie jetzt geschwärmt wird. Das wir haben, denn noch, bis 1. Juli, ist das Essl-Museum ja offen. Und noch nicht zum weltweit ersten Kunstsarkophag mit Oberlichten mutiert, zum Luxusdepot für Verkauf und Verleihung der breitesten Dokumentationssammlung neuerer österreichischer Kunst. Hätten alle, die jetzt vom freundlichen, offenen Museum schwärmen, dieses auch besucht, wäre seine Lage jetzt nicht so misslich. Denn die Besucherzahlen können nicht erfreulich gewesen sein, sonst hätten die Essls sie irgendwann kommuniziert. Aber ist das genug Ausrede für die Politik, um eine 17-jährige Museumsarbeit zu beenden?
Nein. Denn von den schätzungsweise 20.000 bis 50.000 Besuchern werden die meisten wohl Österreicher gewesen sein; Touristen, die in (den meisten) Bundesmuseen die Größenordnung bestimmen, verirrten sich selten nach Klosterneuburg. Besser gesagt: Ihre Busse taten das nicht. An deren knapp kalkulierten Routen scheiterte schon das Liechtenstein-Museum im neunten Bezirk.
Das Essl-Museum gab mit seinem großartigen Vermittlungsteam also intensive Nachhilfe in zeitgenössischer Kunst für die Region, gerade für Kinder und Familien. Aber um Menschen und Bildung ging es bei diesem Deal sowieso nicht. Und anders als „Deal“ kann man zu den Vorgängen rund um die Schließung nicht sagen. Österreichs immer noch wichtigster Kunstsammler wurde dabei eiskalt stehen gelassen. Von einer absurden Förderstelle zur nächsten geschickt. Etwa zum ominösen Museumsförderungsbeirat des Ministeriums, dessen Mitglieder erst im „Kunstbericht 2015“ veröffentlicht werden – der aber sowieso nur Summen im fünfstelligen Bereich vergibt. Die Drittelfinanzierung des laufenden Essl-Betriebs wäre natürlich teurer gewesen, am Ende aber sowohl für die Kulturnation Österreich als auch für das Kulturland Niederösterreich locker leistbar gewesen.
Eine Lösung hätte aber auf höherer Ebene getroffen werden müssen. Und auf dieser hat Österreichs mittlerweile wichtigster Sammler maroder Kulturimmobilien, Hans Peter Haselsteiner, sie auch getroffen, gemeinsam mit Minister Ostermayer. Da war anscheinend schon längst klar, dass die Sammlung Hessl, wie man sie jetzt wohl nennen sollte, mit Geld der Republik (das Bundesmuseum Albertina kuratiert dort Ausstellungen) zukünftig das von Haselsteiner – wohl durch die Strabag? – um rund 30 Millionen Euro frisch renovierte Künstlerhaus füllen soll, in das der Industrielle ebenfalls zu 74 Prozent eingestiegen ist. Das wunderschöne Tageslichtmuseum in Klosterneuburg wird jetzt wohl markttauglich verwertet werden, irgendwie. Irgendwie sehen auch Retter anders aus.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)