Wo ist der Masterplan für die Museen von Bund und Stadt?

Die Kulturpolitik sollte die Atempause der Museumsumbauten nützen, um über die „Fehlkonstruktion Kunstmuseum“ nachzudenken.

Das Museum boomt. Das Museum leidet. Eine präzisere Analyse ist nicht möglich. Gerade wurde das Kunstmuseum Basel neu eröffnet, inklusive privat finanzierter Erweiterung um ein Drittel. Einen guten Monat noch, dann sperrt auch der neue Erweiterungsbau der Tate Modern auf. Während wir in Österreich des nagelneuen Sammlermuseums in Krems harren. Auf die Essl-Museum-Leiche in Klosterneuburg starren. Und darauf warten, dass die Albertina im Künstlerhaus bald das zeigt, was eigentlich Kernaufgabe des Belvedere ist: Malerei aus Österreich.

Das Museum als Institution muss wieder diskutiert werden. Was ist es, was hat es, was kann es noch werden? In Deutschland hat diese Diskussion gerade ein neues Buch von Seniorkunstwissenschaftler Walter Grasskamp aufleben lassen, „Das Kunstmuseum. Eine erfolgreiche Fehlkonstruktion“. Wie geht man mit dem Einfluss von Mäzenen um, welche Rechte, welche Pflichten räumt man ihnen ein? Wie kriegt man die Jungen ins Museum, erschließt neue Besucherschichten? Durch Führungsangebote in Farsi? Indem man die Sammlung ins „google art project“ einspeist, was bereits 750 Kulturinstitutionen gemacht haben, darunter nur zehn aus Österreich? Indem man die Social-Media-Kanäle bestens betreuen lässt?

Wird das alles das Museum in Zeiten schwindender öffentlicher Gelder retten? Wie den Spagat schaffen zwischen privater Geldbeschaffung mit sexy Quotenschauen und weniger sexy klingenden Museumsaufgaben: Sammeln, bewahren, erforschen, ausstellen? Richtlinien, die im 18. Jahrhundert festgelegt wurden. Sind sie deswegen in Stein gemeißelt? Muss man sie ändern? Soll man etwa Werke aus den Sammlungen verkaufen dürfen, und wenn ja, wer bestimmt, welche? Wie mitspielen beim Ringen um zukünftige Meisterwerke?

Grasskamps Buch liest sich wie der Leitfaden zur „Ausstellung“, die Nicolaus Schafhausen gerade in der Kunsthalle Wien gestartet hat. Per Videobotschaft, übertragen auf das einzige Ausstellungsstück in der unteren Kunsthalle, eine Leinwand. „L'Exposition Imaginaire“ (ab heute, bis 26. Juni), benannt nach André Malraux' Bildband „Le Musée imaginair“ von 1947, will das System Kunstausstellung befragen, in rund 30 Diskussionen und Vorträgen, live oder per Skype-Einspielung.

Könnte man vielleicht auch gleich direkt in Minister- und Kulturstadtratbüros streamen. Teure Nachhilfestunden für wenige. Billige Ausstellung für die Kunsthalle. Das Thema ist allerdings brisant, gerade in und um Wien, wo momentan alles (temporär) zu schließen scheint: Wien-Museum (Umbau), Künstlerhaus (Umbau), Essl-Museum (Geldnot), Kunsthalle Krems (Umbau), Atelier Augarten (ungewiss). Die Lücke wird im Ausstellungsgetriebe dieser Stadt nicht auffallen. Aber die regierende Kulturpolitik könnte bewusst versuchen, sie als Atempause zu nutzen. Sich Berater zu holen. Und nachzudenken, wer in Zukunft was wie und mit welchem Geld machen soll. Damit Österreich wenigstens das Einzige bleibt, wofür es weltweit berühmt ist: Kunst und Kultur.

E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.