Der Zwang der Ordnung und die Zucht mit nassen Fetzen

Die Wortmeldung von Hermann Fillitz zur Husslein-Affäre war ein rhetorischer Tiefpunkt. Und der Beginn einer müßigen Debatte.

Es entbehrt nicht eines gewissen Zynismus: Ausgerechnet Thomas Mießgang, der einst eine ähnliche „Menschenhatz“ (Husslein) befeuerte, nämlich die Vertreibung Gerald Matts als Kunsthalle-Wien-Direktor, interviewte jetzt für die „Zeit“ den ehemaligen Direktor des KHM, Hermann Fillitz, zur Wiener Museumssituation. Fillitz ist ein Kulturpolitiker in seinen 90ern, war einst daran beteiligt, die Ludwig-Stiftung (Mumok) nach Wien zu holen, war ein Proponent des Museumsquartiers und hat für mehrere ministeriale Schubladen Museumskonzepte erarbeitet. Als prägender Wiener Kunstgeschichteprofessor führte er 1982 bis 1990 nebenbei das KHM. Um 1000 Schilling pro Monat.

Grandseigneur der Kunstgeschichte würde man ihn gern nennen. Doch dazu passt seine Ausdrucksweise nicht. Typisch Wien, dass ausgerechnet Kollegen hier nicht zusammenhalten, sondern lieber das sowieso immer prekäre Image der Kultur anpatzen: „Mit nassen Fetzen“, so Fillitz, sollte man „Leute“ wie Husslein davonjagen, die solche „kleinkarierten Schäbigkeiten“ begingen. Hätte er ein wenig von Hussleins Managementtalent gehabt, der Rechnungshof hätte dem KHM unter seiner Führung nicht „Verwahrlosung“ konstatiert. Worauf Fillitz seinen Posten verließ. Die noch von ihm beanstandete „Museumsmilliarde“ zur Museensanierung streiften andere ein.

Wie alle Museumsmanager fühlt auch Fillitz seine Verdienste zu wenig geschätzt. Das könnte ja einen. Das tut es anscheinend zumindest bei der zur Zeit am Ruder befindlichen Riege; hier lässt man einander ohne öffentliche Anwürfe arbeiten. Allerdings auch erst seit knapp zehn Jahren. Man könnte meinen, die Ausgliederung habe sich nach anfänglichen Kämpfen um die Felle bewährt.

Ganz falsch, meint Fillitz, man hätte es wie die Stiftung preußischer Kulturbesitz machen sollen, mit einem Generaldirektor für alle. Womit wir mitten in der Museumsreformdiskussion sind, die Kulturminister Drozda führen will. Also führen wir sie. Aber tun wir nicht so, als hätten wir eine Museumskrise. Noch nie gab es soviel Publikum, wurde so gut vermittelt, gab es so viele Sonderausstellungen, gab es solche Unterstützung aus der Bevölkerung (Freundesvereine, Schenkungen etc.) Aber es herrsche doch Chaos, meint Fillitz. Ai Weiwei im 21er Haus! Und nicht im Mumok! Wer die Installation, die nur dort Sinn macht, verstanden hat, kann nur den Kopf schütteln. Wer die Belvedere-Museumsordnung kennt, auch – internationale Kunst war hier immer vorgesehen.

Der Ansatz zu Ordnung (und auch zur Zucht mit nassen Fetzen) ist nicht neu, Wolfgang Zinggl wollte eine Neuordnung. Auch Edelbert Köb, der Drozda jetzt berät. Jedes Haus sollte sich beschränken: Das KHM auf Alte Meister, das Belvedere aufs 19. Jhdt., das Mumok auf Moderne und Zeitgenossen, die Albertina auf Grafik. Das Modell ist allein räumlich nicht mehr vorstellbar, leuchtete mir aber zumindest theoretisch ein. Früher. Heute bin ich für das angebliche Chaos, für Konkurrenz zwischen den Häusern, für (intelligente) Blockbuster-Ausstellungen. Das bringt Aufmerksamkeit und Geld für alles andere, v. a. aber auch mehr Chancen für Gegenwartskunst. Denn sie bewährt sich blendend dort, wo sie nicht hingehört: im KHM, im Belvedere, in Albertina, MAK, Leopold-Museum. Vielleicht sollte das Mumok es einfach einmal mit Alten Meistern versuchen.

E-Mails an:almuth.spiegler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2016)

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