Nichts verstehen und alles richtig machen: Social Skills

Ob Papst, Genderbeauftragter, Dominic Heinzl oder Kim Jong-un: Ein Benimmkurs bei Schäfer-Elmayer kann nicht schaden!

Es gibt Menschen, die verstehen im Grunde alles falsch und machen deshalb alles richtig. So wie jene Person – nachfolgend einfach „Person“ genannt, nicht ohne uns, „hullo, person!“, an Nabokovs „Hugh Person“ aus den „Transparent Things“ zu erinnern –, die sich mit exzellenten Englischkenntnissen für einen Posten bewarb, bei dem exzellente Social Skills gefordert waren. Letzteres verstand die nicht mehr ganz junge und vielleicht bereits ein wenig schwerhörige Person dahingehend, dass es um „social kills“ (!) ginge, also um nichts, was, dem englischen Sprachgebrauch zufolge, ohne Weiteres einen guten arbeitsplatzfunktionalen Sinn ergeben hätte.

Aber da unsere Person bei „social“ an Betriebssocials und Ähnliches dachte, dachte sie bei „social kills“ an den Schmeichelsong „Killing Me Softly“, dank dessen die Stimmung in den sittenlockeren Neunzehnhundertsiebzigern an diversen Arbeitsplätzen auf den zumindest musikalischen Höhepunkt gebracht worden war. Deshalb dachte die Person ferner, es ginge um die kompetente Ausübung einer Tätigkeit, bei der es darauf ankäme, im Rahmen von Betriebssocials und Ähnlichem, das durch musikalische Untermalung am Arbeitsplatz aufgelockert wird, sich „softly killen“ zu lassen – bitte, was immer darunter zu verstehen wäre. Doch dies herauszufinden war eben Teil der geforderten Kompetenz, nicht wahr?

Die solcherart disponierte Person, die nach dem einhelligen Urteil der Bewerbungskommission – und unter Vernachlässigung des Separatvotums des jungen Genderbeauftragten, der die Person rüpelhaft verdächtigte, „ein(e) Sex-am-Arbeitsplatz-Arbeiter(in)“ zu sein – über herausragende Social Skills verfügte, machte sich, nachdem sie im Grunde alles falsch verstanden hatte, sogleich an die Arbeit. Und sie machte alles richtig!

Natürlich ließen die Neider nicht lange auf sich warten. Hinter vorgehaltener Hand wurde dermaßen laut getuschelt, dass, infolge intriganter Anstachelung des in seinem Geschlechtsstolz verletzten Genderbeauftragten, der betriebsinterne Geschlechtsethikausschuss tätig wurde: Was genau hatte man/frau darunter zu verstehen, wenn die Person als wesentliches Anforderungsprofil ihres Arbeitsverhältnisses zu Protokoll gab, Betriebssocials und Ähnliches zu organisieren, das unter dem musikalischen Auflockerungsmotto „Killing Me Softly“ vonstattengehen sollte? Na?!

Eine Untersuchung wurde angesetzt, die „Killing Me Softly“-Songzeile „Strumming my pain with his fingers“, welche Roberta Flacks Weltruhm gekrönt hatte, auf Untiefen abgeklopft, bloß, um herauszufinden, dass die Person im Grunde zwar alles falsch verstand, aber deshalb – so der Tenor einer geschlechtsanonymisierten Umfrage bei Betriebssocials und Ähnlichem, das durch musikalische Untermalung am Arbeitsplatz aufgelockert wurde – alles richtig machte.

Inzwischen hatte der Papst vom Papstsein genug, die neue Sexismusdebatte entpuppte sich als die alte Sexismusdebatte, Kim Jong-un hatte unterirdisch die dritte Atombombe zünden lassen, und Dominic Heinzl war dem ATV-Team beim Opernball vor die Kamera gerannt, während ein Asteroid dabei war, die Erde haarscharf zu verfehlen: lauter transparente Dinge, die im Grunde keiner verstand. Schließlich wurde der Genderbeauftragte beauftragt, einen Benimmkurs beim österreichischen Benimmpapst Thomas Schäfer-Elmayer zu absolvieren, und zwar mit dem Ziel, sich die nötigen Social Skills zu erwerben, das heißt, nicht alles falsch zu machen, obwohl er im Grunde alles richtig verstand.


E-Mails an: peter.strasser@uni-graz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2013)

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