Ohne Punkt und Beistrich – Österreichs Verfilzmaierung

Niemals wird der politische Weltuntergang ohne Punkt und Beistrich stattfinden können. Mir soll's recht sein.

Wenn Sie als Tourist durch Graz streifen, werden Ihnen Einheimische begegnen, die Sie möglicherweise seltsam berühren. Vielleicht stellt sich Ihnen sogar das eine oder andere Nackenhärchen auf. In kleinen Rudeln, geduckt, die Ohren, die sie sich mit beiden Händen zuhalten, dennoch gespitzt und dabei einander etwas für Sie Unverständliches zumurmelnd: So werden Ihnen die Einheimischen begegnen. Das wird Sie als Tourist, der nichts Besseres zu tun hat, neugierig machen. Was wird denn da gemurmelt? Das Gemurmel, eine Endloslitanei, klingt sinnlos: „Ohne Punkt und Beistrich, ohne Punkt und Beistrich ...“

Sie spitzen Ihrerseits die Ohren, und was hören Sie? Ja, tatsächlich immerfort: „Ohne Punkt und Beistrich, ohne Punkt und Beistrich ...“ Und natürlich haben Sie keine Ahnung, warum Menschen angesichts von etwas, das weder Punkt noch Beistrich kennt, sich zusammenrudeln und ein seltsam ehrfürchtiges Verhalten (das Spitzen der mit beiden Händen zugehaltenen Ohren) an den Tag legen. Denn Sie wissen als flüchtiger Graz-Besucher nicht, dass sich diese unsere Stadt rühmen darf, Dr. Peter Filzmaier, seines Zeichens Politikwissenschaftler, als Professor für Politische Kommunikation gewonnen zu haben.

Auch ich, als bescheiden pragmatisierter Philosoph unserer Karl-Franzens-Universität fühle mich geehrt. Daran ändert der Umstand selbstverständlich nichts, dass mir „der“ Filzmaier, der gleichzeitig „unser“ Filzmaier ist, auf meinem morgendlichen Gang über den Campus zu meiner bescheidenen Wirkungsstätte akkurat immer dann begegnet, wenn ich mein Morgengrausen wegen des bevorstehenden politischen Weltuntergangs durch eine Stille-Meditation, die im Gehen ausgeübt werden kann, zu überwinden suche.

Während ich mich also auf die Stille in meinem Inneren konzentriere, höre ich, im Vorbeigang an dem ohne Punkt und Beistrich vor sich hin dozierenden Filzmaier, einen Bruchteil der Filzmaier'schen Endlosschleife zur Politischen Kommunikation, die sich mittlerweile durch alle Zeitungen, beide Programme des Staatsfunks und eine Batterie von Hörsälen in Graz und Krems an der Donau schlängelt. Der daraus resultierende Effekt hat bereits einen klingenden Namen, welcher vom missgünstigen Politologenkollegen P. stammt, der alles besser weiß: die „Verfilzmaierung Österreichs“.

Was jüngst erst an Filzmaier'schem ohne Punkt und Beistrich in meine Stille-Meditation drang, hörte sich folgendermaßen an: „Die Grünen leiden unter einem Aufmerksamkeitsproblem das liegt einerseits daran dass ihr Topthema Umwelt von der Teuerung als eigentlichem Topthema überlagert wird oder polemisch gesagt wer sich Gedanken machen muss wie zahle ich die Miet- und Heizpreise für meine Wohnung macht sich weniger Gedanken über Pellets als revolutionäre Energiequelle...“ Und dies war erst das „Einerseits“! Woran das Aufmerksamkeitsproblem der Grünen „andererseits“ leidet, sollen dann, Tage später, die Filzmaier'schen QualitätshörerInnen an der Donau-Universität Krems erfahren haben.

Die Vorteile der Verfilzmaierung Österreichs können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Niemals wird der politische Weltuntergang in Österreich stattfinden, solange unser Filzmaier das Aufmerksamkeitsproblem der Grünen und Andersfarbigen ohne Punkt und Beistrich kommentiert. Denn, wie der missgünstige Kollege P., der alles besser weiß, autoritativ feststellt: „Es gibt keinen politischen Weltuntergang ohne Punkt und Beistrich!“ Ich weiß nicht, warum, aber mir soll's recht sein.


E-Mails an: peter.strasser@uni-graz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2011)

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