Wo sind die Philanthropen?

Österreich braucht mehr Privatstifter, die sich für die „gute Sache“ einsetzen, anstatt Sponsorings für Extremsportler.

Gratulation an Dietrich Mateschitz für diesen genialen Medien-Coup. Zu mehr als einer Werbeplattform für den roten Bullen dürfte das 50 Millionen teure Spektakel allerdings nicht gereicht haben. Denn 50 Millionen sind viel Geld.

Zunächst ist klar: Jeder Privatier kann sein Geld ausgeben, wie und wo er oder sie will. Trotzdem ist es ein Armutszeugnis, dass Reiche aus Österreich wenig mehr mit ihrem Vermögen anzufangen wissen, als Stratos-Sprünge zu finanzieren oder Parteien zur eigenen Selbstdarstellung zu gründen.

In Zeiten des Auseinanderscherens von Arm und Reich und staatlicher Einsparungen könnten Privatstiftungen eine Ergänzung staatlicher Sozial- und Kulturpolitik sein. Das bedeutet nicht, den Staat aus seiner Verantwortung zu entlassen. Aber es heißt: Österreich braucht Philanthropen vom Stile eines George Soros, die sich mit Weitsicht für mehr Demokratie, Bürgerbeteiligung und Menschenrechte einsetzen.

Stiftungen leiden in Österreich unter dem Vorwurf, entweder der Vermögensverschleierung ehemaliger Finanzminister oder dem Betrug alter Damen zu dienen. Das ist schade. Ein Blick ins deutsche Nachbarland zeigt: Die meisten der dortigen rund 8600 Stiftungen engagieren sich in beispielhafter Weise für die Gemeinschaft. Ihre Aufgaben reichen von A wie Altenhilfe über B wie Bürgerschaftliches Engagement bis zu W wie Wissenschaft. Große Firmen, Parteien oder Bürgervereine wollen dabei sein, in den Dienst aller zu treten.

Deutschland ist anders

Laut Angaben des österreichischen Stiftungsverbandes existieren in Österreich rund 3300 Stiftungen. Davon ist weniger als ein Viertel gemeinnützig. Eine der Bekannteren darunter ist die Erste Stiftung. Ein anderes Beispiel ist die Essl Foundation. Diese fördert neben Kunst auch Sozialinitiativen.

In Deutschland ist der Anteil gemeinnütziger Stiftungen mit über 90 Prozent höher als in Österreich. Woher dieser eklatante Unterschied? Teils liegt es am Recht, teils an der Einstellung. So können in Österreich (im Gegensatz zu anderen Ländern) Stiftungen mit rein privatem Nutzen errichtet werden. Auch diesen – nicht gemeinnützigen – Stiftungen stehen Steuererleichterungen zu. Damit ist, wie der Bundesverband Deutscher Stiftungen es formuliert, der Anreiz, Geld „für die Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen unseres Gemeinwesens“ zu stiften, bereits durch rechtliche Umstände geschwächt. Zweitens scheint hierzulande Verantwortungsübernahme nicht unbedingt das „öffentliche Image“ zu stärken.

Um beim Beispiel Sport zu bleiben: Das Sponsoring schneller Formel-1-Wagen gilt als sexier, als es zum Beispiel die Gründung einer Förderungsschiene für talentierte, sozial benachteiligte Jungsportler jemals sein könnte.

Àpropos 50 Millionen: Seit 2005 hat die Erste Stiftung über ein Projektbudget dieser Summe verfügt und so vielen Menschen jahrelang eine Sprungschanze geboten. Nicht nur einem einzigen Menschen an einem Tag. Andere Spender könnten sich daran ein Beispiel nehmen.

Astrid Reinprecht ist Doktorandin der Politikwissenschaft am European University Institute in Florenz und forscht zum Thema Bürgerbeteiligung in Südosteuropa.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2012)

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