"Wir Moslems können nicht gleichzeitig mit euch existieren"

Warum die Christenverfolgung in der islamischen Welt zunimmt: Wo die Scharia regiert, haben Nichtmuslime alles Recht verloren.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo kündete ein Transparent dieser Tage: „85 Millionen wollen die Anwendung der Scharia“. Rund 10.000 Salafisten hatten sich versammelt, um die strikte Befolgung des Koran in der Verfassung zu verlangen. Was dies in der Praxis bedeutet, hat ein Terrorist erläutert, nachdem er mit Anderen 60 Katholiken im Irak ermordet hatte: „Ihr Christen seid alle ,Kafara‘ (Ungläubige), wir können nicht gleichzeitig mit euch existieren!“

So kommt es, dass weltweit rund 100 Millionen Christen verfolgt, gedemütigt und – in letzter Konsequenz – auch ermordet werden. Vor allem in islamischen Ländern: Je strenger der Koran ausgelegt wird, desto unbarmherziger ist die systematische Vertreibung, der mörderische Terror.

Nur einige Beispiele: In Indonesien wurden in den vergangenen Jahren mehr als 1000 Kirchen in Brand gesteckt; in Ägypten wurden in den letzten 30 Jahren mehr als 1800 Kopten aus religiösen Gründen ermordet. Im Herbst 2011 riefen Imame in mehr als 20 oberägyptischen Moscheen zum Sturm gegen Kirchen und zum Mord an Christen auf – die Sicherheitskräfte zogen ab.

Religiöse Hasspropaganda

Die religiöse Hasspropaganda bleibt freilich nicht auf Moscheen beschränkt: Über Tonband ist sie am Basar, im Taxi und auch in Privathäusern allgegenwärtig. Die Islamwissenschaftlerin Rita Breuer: „Antichristliche Propaganda muss man in den meisten muslimisch geprägten Ländern nicht mehr hinter vorgehaltener Hand äußern, sie ist salonfähig und gehört vielerorts geradezu zum guten Ton.“

Daraus folgt laut Breuer: „Gleichberechtigung nicht muslimischer Bürger kann es in einem explizit islamisch geprägten Staatswesen nicht geben.“ Denn wo die Scharia regiert, haben Nichtmuslime alles Recht verloren: „Ein islamisch geprägtes Staatswesen ohne religiöse Diskriminierung hat es noch nie gegeben.“

Rita Breuer, die als Entwicklungshelferin lange in islamischen Ländern tätig gewesen ist, erklärt den islamischen Christenhass auch theologisch. Sure 4, Vers 171 sagt unzweideutig: „Jesu, der Sohn der Maria, ist der Gesandte Allahs.“ Der Religionsgründer der Christen, Gottes Sohn, kann und darf natürlich nicht göttlicher sein als Mohammed, der ja „nur“ ein Mensch war. Der Glaube an Jesus Christus stellt damit das gesamte islamische Religionsgebäude infrage. Deshalb werden die „Götzendiener“ – so Sure 9, Vers 17 – „im Feuer ewig verweilen“.

Religionsfreiheit, nur theoretisch

Da ist nichts von jener Barmherzigkeit, die Mouhanad Khorchide im Islam zu erkennen glaubt („Islam ist Barmherzigkeit“, Herder-Verlag). Und wenn er meint, heutige Moslems müssten den Koran im historischen Kontext betrachten, dann mag dies für gebildete Moslems in westlichen Ländern durchaus gelten. Dort aber, wo der Islam als Staatsdoktrin gilt, herrschen andere Grundsätze.

Zum Beispiel in der Türkei, wo es eine Religionsfreiheit allenfalls theoretisch gibt. Rita Breuer: „In der nominell laizistischen Türkei ist eine geradezu hysterische Verfolgung christlicher Mission und dessen, was man dafür hält, zu beobachten.“ 2007 wurden im osttürkischen Malatya zwei zum Christentum konvertierte Türken und ein deutscher Prediger „grausam abgeschlachtet“.

Kein Sonderfall, denn im islamischen Scharia-Recht ist Apostasie – also der Abfall vom islamischen Glauben – ein todeswürdiges Verbrechen. In vielen islamischen Ländern droht Apostaten auch heute noch die Todesstrafe, anderswo rufen die „barmherzigen“ Vertreter des Glaubens zur Lynchjustiz auf. Beispielsweise in Ägypten, wo „viele Imame die Gläubigen zur Tötung der Konvertiten“ aufrufen, so Breuer. „Wer ihrem Ruf folgt, hat keine Strafverfolgung zu befürchten.“

Während aber in der westlichen Welt gerade die Kirchen Toleranz predigen und einige Theologen von einem „Dialog auf Augenhöhe“ schwafeln, findet in der islamischen Welt ein Klima der Feindschaft immer mehr Anhänger. Breuer: „Die Welle der Re-Islamisierung der islamischen Welt und der erneuten Politisierung der Religion gleicht einem schleichenden Gift für das interreligiöse Klima und wirkt sich erheblich zum Nachteil der Christen aus.“

Im innerislamischen Disput haben sich nicht die Liberalen durchgesetzt, sondern die radikalen Islamisten. Keine Frage, dass dies auch Auswirkungen auf die verschiedenen Strömungen des Islam in der westlichen Welt hat.

Scheindialog hilft niemandem

Und nicht zu vergessen: Der hierzulande geführte Scheindialog hilft den bedrohten Christen in der islamischen Welt nicht, sie sind auf eine klare Position der westlichen Kirchen angewiesen. Deshalb erscheint es als Realitätsverweigerung, wenn Theologen – so in der Katholischen Kirche in Wien – immer wieder ein positives und idealisiertes Bild des Islam zeichnen. Eines Islam, der sich mit der christlichen Werteordnung vertrage – den „wahren Islam des Friedens und der Freiheit, der Gleichberechtigung aller Menschen, der Toleranz und des Pluralismus“.

Nur, weiß Rita Breuer: „Diesen angeblich wahren Islam gibt es nicht.“ Im Gegenteil, die Hetze gegen Christen nimmt zu, auch bei uns. „Auch wenn die aktiv militanten Muslime eine Minderheit sind, ist die passive Akzeptanz der Gewalt sehr hoch.“ Ein Satz, der alle zum Nachdenken über Migration und Integration veranlassen sollte.

Zum Nachlesen: Rita Breuer, „Im Namen Allahs? Christenverfolgung im Islam“, Herder-Verlag.

Zum Autor


E-Mails an: debatte@diepresse.comDetlef Kleinert begann seine berufliche Laufbahn beim Bayerischen Fernsehen. Er war unter anderem Südosteuropa-Korrespondent der ARD in Wien. Er ist Autor des Buchs „Wenn Tito das wüsste: Von der kroatischen Küste bis zu den Bergen des Balkans“ (Herbig) und lebt in der Nähe von Wien. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2012)

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