Ob Wehrpflicht oder Berufsheer: an Reform führt kein Weg vorbei

Es wäre für Regierungsparteien höchst an der Zeit, in eine sachliche Diskussion über Österreichs Sicherheitspolitik einzutreten.

Es ist schon merkwürdig! Am 20.Jänner 2013 findet eine Volksbefragung zu einer nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch gesellschaftspolitisch eminent wichtigen Frage statt. Doch die Diskussion über die weitere sicherheitspolitische Ausrichtung des Landes wurde in die Winterquartiere geschickt. Immerhin beruft der Staat jedes Jahr an die 22.000 Mann zum Heer ein, über 13.000 junge Männer absolvieren den Zivildienst.

Es ist auf oberster politischer Ebene erstaunlich ruhig um die Frage „Wehrpflicht“ oder „Berufsheer“ geworden. Hat hier eine der Streitparteien bereits kapituliert oder kommt die große PR-Offensive noch? Eine bemühte Ausnahme stellt die Broschüre des Landes Salzburg dar, die ausgewogen zum Thema informieren will. Nun hat auch der Verteidigungsminister eine online erhältliche Broschüre angekündigt. Allerdings muss man den Inhalt noch mit dem Koalitionspartner diskutieren.

Wie auch immer: Zwei wichtige Fragen zur künftigen Heeresstruktur vermag auch die Broschüre des Landes Salzburg nicht zu beantworten.

Erstens: Würde ein Berufsheer in Österreich überhaupt genügend Interessierte anlocken? Sieht man sich die einzelnen Berufsarmeen in Europa an, so können durchaus Zweifel aufkommen, ob das Heer bei gleichbleibendem Budget die anvisierte Truppenstärke jemals erreichen wird. Es gibt einige Länder in Europa, die nicht genügend Soldaten für eine Berufsarmee rekrutieren können.

Negativbeispiel Belgien

Als absolutes Negativbeispiel darf hier Belgien gelten. Die belgischen Streitkräfte sind überaltert. Die deutsche Bundeswehr sucht händeringend nach Rekruten. 15.000 Personen pro Jahr wurden erwartet, nun kommen kaum 5000.

Dass 21 von 27 EU-Staaten ein Berufsheer haben, muss also nicht unbedingt das beste Argument für dieses System sein – auch Berufsarmeen haben zum Teil massive Probleme. Dazu kommt, dass wir es in Österreich – noch – mit einer sehr geringen Arbeitslosenquote zu tun haben.

Reine Geldverschwendung

Zwischen erfolgreicher Heeresrekrutierung und einer hohen Arbeitslosenrate besteht zwar nicht zwangsweise eine Kausalität, doch kann ein gut geführtes Berufsheer jungen Menschen, die keine Arbeit finden, einen attraktiven Arbeitsplatz bieten. Die Frage der Rekrutierung im Berufssystem wird wohl keine Politikerin und kein Politiker beantworten können, aber man muss sie zur Diskussion stellen.

Zweitens: Wozu soll die Wehrpflicht gut sein, wenn die Wehrpflichtigen nicht mehr zu Truppenübungen eingezogen werden? Unter dem damaligen Verteidigungsminister, Günther Platter, wurde der Wehrdienst 2006 auf sechs Monate verkürzt, die Rekruten wurden nicht mehr zu Truppenübungen einberufen.

Wehrpflicht ohne Truppenübungspflicht führt das System ad absurdum. Wozu junge Menschen ein halbes Jahr militärisch ausbilden, wenn die militärischen Fertigkeiten nicht mehr angewandt werden können? In dieser Frage kann man dem früheren Sektionschef des Verteidigungsministeriums, Erich Reiter, absolut recht geben: reine Geldverschwendung.

Übrigens: Die oft gehörte Aussage „Es schadet ja den jungen Leuten nicht“ ist kein sicherheitspolitisch relevantes Argument. Sollte die Wehrpflicht beibehalten werden, bedarf es einer gründlichen Reform dieses Systems. Es wäre höchst an der Zeit, dass die Regierungsparteien in eine sachliche Diskussion über Österreichs Sicherheitspolitik eintreten.

Priv.-Doz. Mag. Dr. Robert Rebitsch ist Mitarbeiter der Universität Innsbruck, Historiker mit Schwerpunkt Militärgeschichte und Hauptmann der Miliz beim Jägerbataillon Tirol.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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