"Pensionisten, ihr wollt das Zwangsheer? Dann zahlt auch die Zeche!"

AUSTRIA DEFENCE REFERENDUM
AUSTRIA DEFENCE REFERENDUMEPA
  • Drucken

Die ältere Generation schickt die jungen Männer zu den Waffen und in schlecht bezahlte Jobs – ob die das wollen oder nicht.

Mehr als 70 Prozent der über 60-Jährigen haben am vergangenen Sonntag für Wehrpflicht und Zivildienst gestimmt. Die Generation der Pensionisten schickt die jungen Männer zu den Waffen und in schlecht bezahlte Jobs – ob die das wollen oder nicht.

Was ist das für eine Menschengruppe, die so entscheidet? Sie ist bald nach dem Krieg geboren und hat einen einmaligen Wirtschaftsaufschwung erlebt. Von den 1960er-Jahren an ging es steil bergauf. Alle fanden sie ohne Probleme einen Job. Wer gar eine Matura machte, wurde von den Unternehmen direkt nach der Schule mit Handkuss angeworben.

Die Wirtschaft boomte, es wurde investiert. Ein Gutteil dieser Investitionen wurde auf Pump bezahlt. Die heute arbeitenden Menschen und die ganz Jungen, die in den nächsten Jahren ihre Chancen auf einem notleidenden Arbeitsmarkt suchen werden, werden für die Schulden aufkommen müssen.

Die Generation der Nachkriegsgewinnler empfindet in ihrer großen Mehrheit keine Dankbarkeit gegenüber der Geschichte. Sie sieht nicht, dass die heutige Jugend ihre Schulden aufgebürdet bekommt, mit Arbeitslosigkeit und dem Fehlen ökonomischer Perspektiven zu kämpfen hat. Sie ist nicht dankbar, dass sie es besser hatte. Nein, sie bestimmt in autoritärer Weise über das Leben der Jungen, stiehlt ihnen Lebenszeit und lehnt sich dann bequem im Pensionistenstuhl zurück.

Mehr Geld für das Heer: Woher?

Wir behalten also das Heer der Sechs-Monate-Soldaten, die in jedem Krieg sofort dem Tod geweiht wären, weil sie in dieser Zeit nichts Brauchbares lernen können. Das Einzige, was ihnen von dieser Lebenszeit bleibt, ist die Erfahrung einer Institution, die nicht nach Regeln einer liberalen, dem Zweck verpflichteten Vernunft, sondern nach jenen von autoritären Befehlssystemen funktioniert. Jetzt werden wir, wie die jubelnde ÖVP uns sagt, und der stets folgsame Verteidigungsminister es nachsagt, dieses unsinnige Gebilde besser ausstatten – das heißt, aus dem Budget zusätzlich finanzieren.

Woher aber wird das Geld dafür kommen? Nehmen wir es von der Bildung, der Forschung, der Kultur, von den Sozialleistungen? Vermindern wir also die Chancen der Jungen noch mehr? Streichen wir die Kinderbeihilfe, die Arbeitsmarktförderung?

Was neiden Alte den Jungen?

Das darf nicht geschehen. Daher ist dafür zu plädieren, dass die Alten, die den Jungen einmal so richtig zeigen wollten, wer dieses Land tatsächlich regiert, auch für ihre Entscheidung einstehen und die Zeche bezahlen. Jeder Euro, den das Heer zukünftig mehr kosten wird, sollte durch eine Kürzung der Pensionen hereingeholt werden. „Ihr wollt das Zwangsheer, ihr wollt die Reform eines unsinnigen Gebildes – dann zahlt sie auch!“, muss die Devise lauten.

Bleibt noch zu fragen, was die Sozialdemokraten geritten hat, diesen Generationenkonflikt offen ausbrechen zu lassen. Jede Meinungsumfrage zeigt, dass die meisten alten Menschen den Jungen missgünstig gegenüberstehen. Vielleicht neiden sie ihnen, was sie verloren haben – ihre Jugend.

Aber mit welcher Leichtfertigkeit die SPÖ das Schicksal eines so wichtigen Themas aus der Hand gegeben hat, wie sie auf eine klare Niederlage zugesteuert ist, muss nachdenklich stimmen. Eine Partei hat ihre Verwurzelung im Volk gänzlich verloren, weiß nicht mehr, wie die Menschen denken und was sie wollen.

Vielleicht sollten die roten Granden zwischendurch einmal eine Strategiesitzung einplanen. Es scheint höchste Zeit dafür zu sein.

Peter Menasse (*1947) ist Kommunikationsberater und Journalist in Wien. Sein letztes Buch „Rede an uns“ (edition a).


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr Kommentare zu diesem Thema:

Sibylle Hamann: Was für mich okay war, wird den Jüngeren auch nicht schaden

Kurt Kotrschal: Österreichs junge Leute in der Demografie- und Demokratiefalle

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.